"If the doors of perception were cleansed, everything would appear to man as it truly is, infinite". Anlässlich der Dokumentation über die Doors, die seit dem 1. Juli 2010 in den Kinos lief, hier eine kleine Auswahl von YouTube-Links mit Stücken der Sixties-Kultband, schwerpunktmässig als Techno-/Trance-Bearbeitungen. Einige Clips sind aber eventuell nicht mehr verfügbar:
You know the day destroys the night...Night divides the day...Tried to run, Tried to hide...Break on through to the other side!...(DJ Swamp Remix)
You know that it will be untrue...You know that I will be a liar...If I was to say to you...Girl, we couldn't get much higher...(Hot Rocks Club Remix)
Once I had, a little game...I liked to crawl, back into my brain...I think you know, the game I mean...I mean the game, called "go insane"...(Daytona Team y Senmove featuring Jim Morrison)
Not to see the sun...nothing left to do,but run, run, run...(Unlock the Doors, Remix by DJ Paul Edge)
...my only friend, the end...I'll never look into your eyes...Again...Von 'The End', einem der bekanntesten Stücke der Doors, nicht zuletzt, weil Regisseur Francis Ford Coppola den Song kongenial in seinem Meisterwerk 'Apocalypse Now' verwendete, gibt es gleich eine ganze Reihe von modernen Bearbeitungen, die den Song jeweils ganz unterschiedlich akzentuieren. Hier eine der populärsten Versionen, die immer wieder auch in Techno-Clubs und so auch im KitKat zu hören ist.
Jim Morrison, der Leadsänger der Doors, sah sich in erster Linie mehr als Dichter denn als Musiker. Nach seinem Tod unterlegte der Rest der Band Gedichtrezitationen von ihm mit neu komponierter Musik auf dem Album 'An American Prayer'. (Nick Grain Remix)
„If they say I never loved you, You know they are a liar": „Absolute awesome - Love it !!! - If The The Doors had started up today, it had mabe sounded something like this ?" (YouTube-Kommentar)
Von Infected Mushroom gibt es gleich eine ganze Reihe moderner Bearbeitungen von Doors-Songs. Hier ihre Version von Riders on the Storm, die die morbide und chillige Grundstimmung des Originals überraschend in ein dynamisch-treibendes und nervöses - und äußerst tanzbares - Gegenteil verwandelt.
„People are strange,When you're a stranger.Faces look ugly,When you're alone."
Hier das Stück, aus dessen Text sich der Titel zur obigen Doors-Dokumentation ableitet, noch einmal, aber in der Symphonic Version von Stargeiger Nigel Kennedy:When you're strange...When you're strange...When you're - straaange!(Jaz Coleman, Nigel Kennedy - The Doors Concerto)
Ein 39minütiger Deep House-Remix kombiniert verschiedene Doors-Songs, darunter Strange Days, Break on through, Light my Fire und Riders on the Storm.
„Music is your only friendUntil the endUntil the endUntil the end."
Willkommen im Magischen Theater: Eintritt nur für Verrückte! Oliver Stones Musik-Drama von 1991 über die Kultrockband der 60er öffnet die Pforten der Wahrnehmung und entführt in ein ganz eigenes Spiegelkabinett seelischer Abgründe und geheimer Obsessionen. Mit einem überragenden Val Kilmer als Jim Morrison, der hier als Dionysos der Pop-Kultur inszeniert wird, als altgriechischer Gott des Weines, des Festes, der rauschhaften Ekstase.
"Pünktlich zum Bundesstart von "Schwarze Schafe" geht die Schafe-Crew auf eine Tour durch Deutschland. Es erwarten euch verruchte Schafe-Parties mit allerlei Überraschungen und in drei Städten werden wir auch auf unseren Freund King Khan und seine Shrines treffen, die auf der Bühne stehen, während wir mit euch dazu feiern !"Dates findet Ihr unter "Schwarze Schafe ON TOUR"
Witzig, dass es jetzt einen Film über die Dead Chickens gibt ... kennengelernt haben wir sie 1994 über Falk Richwien, der damals das XXX-Xtrem im 3.Jahr veranstaltete und uns für eine Performance engagiert hatte. Diese nannten wir "When the beauties meet the beast". Daraus entstand dann auch unsere 1. große Party zur XXX-Xtreme, im Anschluß an unser Exil im Vereinheim.Zur Wiedereröffnung in der Turbine, eine Woche später, stellten die Dead Chickens verschiedene ihrer Objekte bei uns aus.
Irgendwann in grauer Vorzeit, ein schwarzer Monolith in der afrikanischen Savanne: Einer unserer äffischen Vorfahren macht eine unheilvolle Entdeckung. Jahrmillionen Jahre später, im Jahr 2001, finden die Menschen auf dem Mond ein außerirdisches Objekt, das Strahlen in Richtung des Jupiter aussendet. Ein Raumschiff mit fünf Wissenschaftlern und einem Supercomputer an Bord bricht zu einer langen Reise ins Unbekannte auf...Der Monolith. Die Menschwerdung. Der Tanz im All. Der Fund auf dem Mond. Eine Mission. Künstliche Intelligenz. Transgression. Die Geburt des neuen Menschen: Mit '2001 - Odyssee im Weltraum' errichtete Regisseur Stanley Kubrick im Jahr 1968 DEN inhaltlichen wie bildlich-ästhetischen Maßstab des Science Fiction-Films, an dem sich auch heute noch jeder engagierte Versuch messen lassen muß, mit den Mitteln des Genres eine außergewöhnliche Kinoerfahrung zu vermitteln. Durchaus nicht unumstritten, insbesondere und ausgerechnet bei konventionellen Science Fiction-Fans, die mit der entschleunigten und dialogarmen Dramaturgie oder den philosophischen Aspekten des Films wenig anfangen konnten und können. Nach der Kurzgeschichte 'The Sentinel' von Arthur C. Clarke, der auch am Drehbuch mitschrieb. Oscar für Stanley Kubrick für die besten Spezialeffekte und zahlreiche weitere Auszeichnungen und Nominierungen - und der kommerziell erfolgreichste Film im Jahr 1968: „Das American Film Institute wählte den Film auf Platz eins der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten." (Wikipedia)„Kubricks fantastisches Abenteuer vereint technische Utopie und kulturphilosophische Spekulation zu einer Weltraumoper von überwältigendem Ausmaß. Der kühne gedankliche Entwurf des Films wird mit nicht minder kühnen optischen Effekten und einer revolutionären Tricktechnik realisiert, die das Genre Science Fiction in den folgenden Jahren entscheidend prägten." (Lexikon des Internationalen Films)Das Arsenal im Kinomuseum am Potsdamer Platz zeigt im Rahmen ihrer 70-mm-Reihe den Klassiker, der im Super Panavision 70-Format gedreht wurde, nach einem halben Jahr Pause im September erneut auf der großen Leinwand, bereits am 1. September und am Samstag d. 19. September, jeweils um 20 Uhr. Vorführungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. Zu sehen ist die 143minütige englischsprachige Originalfassung, die Regisseur Christopher Nolan ('Inception', 'Interstellar', 'Tenet') 2018 zum 50jährigen Jubiläum 2018 beim Filmfestival in Cannes präsentierte: „This is a true photochemical film recreation. There are no digital tricks, remastered effects, or revisionist edits."Die Vorführung im Arsenal-Kino stellt eine große und seltene Gelegenheit dar, ein Meisterwerk der Filmgeschichte so auf der großen Leinwand zu erleben, wie es ursprünglich gedacht und für die es einst geschaffen worden war. Nicht nur die visuell-ästhetischen und tricktechnischen Aspekte gelangen hier erst zu ihrer vollen - emotionalen - Geltung sondern auch die sinnlich-dramaturgischen, die von einer ungewöhnlich ausgewählten bzw. eingesetzten Filmmusik kongenial unterstrichen und verstärkt werden, u.a. mit der überraschenden Verwendung klassischer Musikstücke z.B. von Richard Strauss ('Also sprach Zarathustra') oder Walzerkönig Johann Strauss ('An der schönen blauen Donau', in der Version des Berliner Philharmonie Orchesters, unter der Leitung von Herbert von Karajan). Die Mörderaffen-Anthropologie der Anfangssequenz, der eine Theorie des Anthropologen Robert Ardrey über die vermeintlich gewalttätige Natur des Menschen zu Grunde lag, hatte in der weiteren wissenschaftlichen Debatte allerdings keinen Bestand, die nun auch die altruistischen Dimensionen der menschlichen conditio humana gleichberechtigt neben seine aggressiven Tendenzen stellt. Die längere psychedelische Sequenz gegen Ende des Films, die schon im Symboljahr „1968" großes Aufsehen in entsprechenden Subkulturen erregte und im Laufe der Zeit Nachahmung in jüngeren Science Fiction-Filmen gefunden hat wie etwa in 'Stargate' (1994) oder in 'Interstellar' (2014) und die auch zeitgenössische Schöpfer virtueller 3D-Welten inspiriert, wirkt in ihrem intensiven Sog dagegen zeitlos wie vor über 50 Jahren (übrigens auch ein prägnantes Beispiel für einen klug weil dosiert eingesetzten Kontrasteffekt, von wegen „entschleunigte Dramaturgie"):„Ich habe versucht, ein visuelles Erlebnis zu schaffen, welches die sprachlichen Einordnungsschemata umgeht und mittels eines emotional-philosophischen Inhalts direkt zum Unterbewusstsein vordringt. Ich war bestrebt, den Film als intensiv subjektive Erfahrung zu kreieren, die den Zuschauer auf einer inneren Bewusstseinsebene erreicht, genauso wie Musik; eine Beethoven-Symphonie zu ‚erklären' würde sie entzaubern, durch die Errichtung einer künstlichen Schranke zwischen Konzeption und Wahrnehmung. Es steht jedem frei, über die philosophische und allegorische Bedeutung des Films zu spekulieren – und derartige Spekulation ist ein Anzeichen dafür, dass es gelungen ist, das Publikum auf einer tiefen Ebene zu berühren – aber ich möchte keine verbale Deutung für 2001 aufstellen, der zu folgen sich jeder Zuschauer verpflichtet fühlen wird, in der Befürchtung, andernfalls den Kern nicht erfasst zu haben." (Stanley Kubrick, Playboy Magazin, 1968)
Originaltitel: 2001: A Space OdysseyRegie: Stanley KubrickLänge: 143 (min)Darsteller: Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester...Produktionsort: Großbritannien/USAProduktionsjahr: 1968Startdatum: 11.09.68
New York, Mitte der 90er Jahre: Die junge Joanna will nach ihrem Collegeabschluß in London eigentlich Schriftstellerin werden und ein aufregendes Leben führen, doch bewirbt sich erst mal bei einer renommierten Literaturagentur, die bekannte Autoren betreut. Der berühmteste Klient der Agentur wird von allen Kollegen nur „Jerry" genannt, hinter dem sich niemand anderes als J. D. Salinger (1919-2010) verbirgt, der Schöpfer des Romans 'The Catcher in the Rye' ('Der Fänger im Roggen'), globaler Megabestseller und Kultbuch gleich mehrerer Generationen meist jugendlicher Leser! Joanna erhält die Aufgabe, die Fanpost, die an „Jerry" gerichtet ist, zu beantworten, um ihn systematisch von jeglicher Öffentlichkeit abzuschirmen. Daß sie bislang weder 'Der Fänger im Roggen' noch ein anderes Buch von Salinger gelesen hat, ist dabei nicht nur von Nachteil. Nach wahren Begebenheiten...Jerry? Wer ist denn „Jerry"? Kein Wunder, daß die neue Agenturmitarbeiterin Verständnisprobleme hat, denn auch die meisten seiner glühendsten Fans dürften Jerome D. Salinger kaum unter dieser Kurzform seines eigentlichen Vornamens kennen, die sonst mit Berühmtheiten wie Komiker Jerry Lewis, der lange die Filmrechte für 'Der Fänger im Roggen' haben wollte (und sie natürlich nicht bekam), Musiker Jerry Lee Lewis, Krimiheld Jerry Cotton oder der Cartoon-Figur aus Tom und Jerry verknüpft ist.'My Salinger Year' war der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale, die kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie noch regulär über die Bühne gehen konnte. Der kanadische Regisseur und Drehbuchautor Philippe Falardeau erzählt darin souverän und berührend, aber auch etwas altmodisch und sentimental, die Geschichte einer jungen Frau auf ihrem Weg in die Welt der Literatur, wobei das ganze stark autobiografische Züge besitzt und auf dem Buch 'Lieber Mr. Salinger' von Joanna Rakoff beruht. Reale Grundlagen besitzt vor allem auch die völlige Zurückgezogenheit von Salinger, der seit Mitte der 50er Jahre in einem kleinen Ort in New Hampshire lebte, kaum Interviews gab, sich von allen gesellschaftlichen Anlässen und Verpflichtungen fernhielt, um sich ganz dem Schreiben widmen zu können. Legendär ist dabei insbesondere der Umstand, daß er nach seinem äußeren Rückzug nur noch wenige Bücher veröffentlichte, es aber eine ganze Reihe von weiteren Werken geben soll, die zunächst nur für die Schublade geschrieben wurden, um eines Tages - vielleicht - doch noch das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken! Ein Biograph spricht in diesem Zusammenhang gar von fünfzehn(!) unveröffentlichten Büchern.Sehr wohl veröffentlicht wurde aber 1961 noch der Band 'Franny und Zooey', angeblich das Lieblingsbuch von Popstar Madonna (was auch so einiges erklärt, aber das wäre ein anderes Thema), das in zwei Erzählungen, der kürzeren 'Franny' und der deutlich längeren 'Zooey', das Leben von verschiedenen Mitgliedern der New Yorker Familie Glass behandelt. In diesen zwei Erzählungen kommt gerade auch Salingers lebenslange Beschäftigung mit spirituellen Fragestellungen und Phänomen zum Ausdruck, insbesondere mit fernöstlichen Traditionen wie z.B. Buddhismus, Hinduismus oder bestimmten Yoga-Schulen aber auch mit christlicher Mystik oder unterschiedlichen Formen ganzheitlicher Heiltraditionen und Ernährungslehren etc. Mit diesem Grundinteresse steht er in der US-Literatur seiner Zeit nicht alleine da und schon bevor die Hippiegeneration in den späten 60ern die Bücher von Hermann Hesse entdeckte, um mit 'Siddhartha' im Gepäck zu den Gurus nach Indien aufzubrechen oder mit dem 'Steppenwolf' in die Abgründe der eigenen Seele, hatten Schriftsteller wie etwa Henry Miller, Jack Kerouac, Alan Ginsberg oder eben auch Salinger in manchen ihrer Büchern die Hinwendung zu alternativer Spiritualität lange vorbereitet:„Zooey blickte kurz auf, sah seine Mutter an und schaltete mit der Nagelfeile auf die linke Hand über. „Falls es dich interessiert, die Absicht beider kleinen Bücher besteht darin, jedermann von der Notwendigkeit und den Wohltaten des Jesus-Gebets zu überzeugen. Zunächst unter der Aufsicht eines geeigneten Lehrers - einer Art christlichen Gurus - , und dann, wenn die betreffende Person bis zu einem gewissen Grad die Sache meistert, soll sie allein weitermachen. Und das wichtigste ist: es soll nicht nur für Frömmler und An-die-Brust-Klopfer sein. Du kannst ruhig den Opferstock ausräumen, aber du mußt weiter das Gebet sagen, während du ihn ausräumst. Erleuchtungen sollen mit dem Gebet kommen, nicht vorher."Zooey runzelte die Stirn, aber eher wie ein Dozent. „Es wird angenommen, daß das Gebet früher oder später vollkommen selbsttätig wird, sich von den Lippen und dem Kopf ins Innerste des Herzens bewegt und im Menschen zu einer Art automatischer Funktion wird, im gleichen Rhythmus wie der Herzschlag. Und wenn dann nach einer gewissen Zeit das Gebet wirklich automatisch ist, dann soll die betreffende Person in die sogenannte Wirklichkeit der Dinge eintreten. Das wird in keinem der beiden Bücher wörtlich ausgesprochen, aber nach der östlichen Terminologie hat der Körper sieben empfindsame Zentren, die chakras heißen, und das dem Herzen am nächsten liegende heißt Anahata, und es soll geradezu höllisch empfindlich und mächtig sein, und wenn es in Bewegung gerät, setzt es seinerseits ein anderes dieser Zentren in Bewegung, das seinen Sitz zwischen den Augenbrauen hat und Ajna heißt - es ist eigentlich die Zirbeldrüse, oder vielleicht eine Aura um die Zirbeldrüse herum - und dann, mein Schatz, öffnet sich, was Mystiker „das dritte Auge" nennen. Um Himmels willen - das ist gar nichts Neues - es hat nicht erst mit der kleinen Pilgergruppe angefangen. In Indien ist dieser Vorgang schon seit Gott weiß wie vielen Jahrhunderten als Japam bekannt. Japam, das ist einfach irgendeiner der Namen, die die Menschen Gott geben. Oder die Namen seiner Inkarnationen - oder Avatars, wenn man den Terminus technicus anwenden will. Es wird angenommen, daß du, wenn du den Namen lang genug und regelmäßig genug aussprichst und buchstäblich aus dem Herzen heraus, früher oder später Antwort bekommst. Nicht einfach nur eine Antwort, sondern eine Offenbarung."Zooey wandte sich um, öffnete das Medizinschränkchen und nahm einen hölzernen Nagelreiniger heraus. „Wer hat an meinem Nagelreiniger geknabbert?" sagte er. Er tupfte sich mit dem Handrücken kurz den Schweiß von der Oberlippe und fing an, mit dem Stäbchen die Nagelhaut zurückzuschieben.Mrs. Glass tat einen tiefen Zug an ihrer Zigarette, kreuzte ihre Beine, und während sie Zooey beobachtete, fragte sie streng: „Das ist es also, was Franny jetzt hat? Ich meine, das tut sie also jetzt und so?"„Ich nehme es an. Aber frag nicht mich, sondern sie!"(aus: 'Franny und Zooey', in der Übersetzung von Annemarie und Heinrich Böll)PS (08/20): 'My Salinger Year' könnte nach der langen coronabedingten Schließung der Kinotheater noch in dem ein oder anderen Programmkino laufen, eventuell erfolgt auch ein Neustart bzw. Wiedereinsatz in den kommenden Monaten. Eine Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray ist noch nicht erfolgt.
Originaltitel: My Salinger YearRegie: Philippe FalardeauLänge: 101 (min)Darsteller: Margaret Qualley, Sigourney Weaver, Colm Feore...Produktionsort: Kanada/IrlandProduktionsjahr: 2020Startdatum: 20.02.20
DER ATEM (ab 30.1.)Regisseur Uli M Schueppel vermittelt mit seinem Film 'Der Atem' einen teils realistischen, teils poetischen Zugang zur Berliner Nacht. Rund zwei Dutzend ganz unterschiedliche Menschen erzählen in kurzen Abschnitten und vor dem Hintergrund des nächtlichen Berlins ihre Geschichten: Eine Frau berichtet vom Verlust ihres Babys, eine andere von der Suche nach einem Arzt für ihr Kind, ein Ost-Berliner Kommunist schildert seine Erlebnisse am Tag der Maueröffnung. Eine Mißhandlung, der Unfalltod von Verwandten, die spirituelle Erfahrung eines afrikanischen Fischers werden zum Thema genauso wie die Überwachung durch die Stasi, die Verfolgung eines tibetanischen Dalai-Lama-Anhängers oder eine Nahtoderfahrung...Der Film beschwört damit das düstere, tragische und abgründige aber auch das melancholische, mysteriöse und geheimnisvolle der Berliner Nacht, das Dunkle seelischer Schattenseiten, in denen sich aber auch Keime der Kraft, der Hoffnung oder des Atemholens verbergen. Normalerweise überblendet oder konterkariert die nächtliche Dauerbeleuchtung in der modernen städtischen Welt äußerlich oft die dunklen Aspekte der menschlichen Seele, weshalb Regisseur Schueppel viel Zeit, Mühe und Kreativität aufwenden musste, um neue und ungewohnte (Schwarz-Weiß-)Bilder auf sein Filmmaterial zu bannen, das wirkliche Dunkel und die wirkliche Nacht, jenseits bekannter und klischeehafter Darstellungen des nächtlichen Berlins: „Wir brauchten das Schwarz, denn das Schwarz ist in der Seele." (aus einem Arte-Interview) „Der nach „Der Platz" und „Der Tag" dritte Teil der „Berlin Gesänge"-Trilogie von Uli M Schueppel befasst sich mit den existenziellen Erlebnissen des Berliner Nachtlebens. Dabei werden in kurzen Abschnitten Menschen gezeigt, die aus beruflichen oder auch privaten Gründen die Nacht zum Tag machen. So erzählen sie alle ihre persönlichen Geschichten über den Stillstand, des Atem-Anhaltens oder von Schmerz, Angst oder Glück." (filmstarts.de)„In schwarz-weiß gefilmt und von verschiedenen Stimmen aus dem Off erzählt, entpuppt sich diese Mischung aus Dokumentation, Fiktion und Gedicht als eine nächtliche Ballade und zeigt eine andere Seite unserer Hauptstadt. Es geht um das Leben, um Veränderung, Einsamkeit und Solidarität." (Arte-Text)PS: Der Film läuft bereits in der Nacht - wann sonst? - vom 17. auf den 18. Februar, 23 Uhr 20, auf Arte und steht dann ca. eine Woche in der Arte-Mediathek zur Verfügung. Seinen vollen und ganz eigentümlichen Sog entfaltet er aber vor allem auf der großen Leinwand im Bauch eines Kinos in der Spätvorstellung einer (Berliner) Nacht gemeinsam mit anderen Nacht-Schwärmern, zu dem auch der kongeniale Soundtrack der amerikanischen Komponistin Christina Vantzou einen wichtigen Beitrag leistet.DIE WÜTENDEN - LES MISÉRABLES (ab 23.1.)Eine Spezialeinheit zur Kriminalitätsbekämpfung in einem Pariser Vorort gerät zwischen die Fronten in den Auseinandersetzungen lokaler Gangs und das auch noch ausgerechnet am Tag im Juli 2018, als Frankreich in Rußland die Fußballweltmeisterschaft gewinnt. Ihre Schlichtungsversuche laufen ins Leere und die Konflikte eskalieren immer mehr. Als dann auch noch ein Unglück geschieht, zieht das Geschehen immer weitere Kreise...Victor Hugos Romanklassiker aus dem Jahr 1862 'Les Misérables' (deutsch: 'Die Elenden') über einen Volksaufstand im Pariser Stadtteil Montfermeil wurde im Laufe der Zeit über zwei Dutzend mal verfilmt. Regisseur Ladj Ly, der vor allem als Dokumentarfilmer bekannt wurde, bezieht sich nur im atmosphärischen, symbolischen und grundsätzlichen auf die literarische Vorlage, ansonsten löst sich seine Romanadaption aber von der vorgegebenen Handlung, erzählt eine eigene Geschichte und siedelt sie in der Gegenwart an. Auch Lys Drama spielt in Montfermeil, da der Filmemacher hier aufgewachsen ist und so die Verhältnisse vor Ort, die unterschiedlichen Milieus und die Spannungen zwischen den sozialen und ethnischen Gruppen bzw. zwischen den Einwohnern und den Vertretern der Staatsmacht aus tiefster eigener Anschauung kennt. Ihm gelingt damit ein so spannender wie dynamischer aber gleichzeitig auch analytisch-differenzierter Einblick in die Situation abgehängter Bevölkerungsgruppen in den französischen Vorstädten, als anschauliches filmisches Gleichnis für den zunehmenden Kontrollverlust von Staat und Politik. Lys Film war übrigens auch für den Oscar für den besten ausländischen Film 2020 nominiert, er mußte sich aber dem großen diesjährigen Gewinner 'Parasite' geschlagen geben:„Regisseur Ly, der hier seinen eigenen, gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2017 zu seinem Langfilmdebüt ausweitet, hat das Sujet mit Hilfe persönlicher Erfahrungen und eigenen Dokumentationen wie „365 Days In Clichy Montfermeil" spürbar durchdrungen. Und so fühlt sich sein erster Spielfilm auch manchmal an wie eine Dokumentation, einfach weil das alles so realistisch wirkt. Bei der Vielzahl der unterschiedlichen Figuren und Gruppierungen bekommt jeder seine Leinwandzeit und die Möglichkeit, seine Agenda zu präsentieren. Aber der Fokus und die Erzählperspektive liegt dennoch ganz klassisch auf den drei Polizisten, denen das Publikum dabei zusieht, wie sie in der Eskalationen von Gewalt und Gegengewalt langsam die Kontrolle verlieren und zermahlen werden. Die drei stehen sinnbildlich für den Staat, dem es genau so ergeht." (filmstarts.de)JUDY (ab 02.01.)„Somewhere over the Rainbow, way up high..." Das Biopic 'Judy' über das Leben der Hollywood-Ikone Judy Garland, einstiger Kinderstar, Musical-Sängerin, Kultfigur der Schwulenszene und Mutter von Liza Minelli, erzählt vor allem von den letzten Monaten der Schauspielerin, die im Alter von nur 47 Jahren verstarb. Im Zentrum steht ihr fünfwöchiges Gastspiel in London im Frühjahr 1969, mit dem sie ein erneutes come back anstrebte, während sie gleichzeitig mit Stimmverlust, zunehmenden Selbstzweifeln, Alkoholabhängigkeit und Tablettensucht zu kämpfen hat. Rückblenden und Flashbacks in ihre Vergangenheit vermitteln dagegen eindringlich sowohl die Auf und Abs ihrer Karriere als auch ihre ganze ambivalente Lebensgeschichte, die beinahe untrennbar mit ihrer Starrolle verbunden war, da sie schon im Alter von sieben Jahren zum ersten Mal vor einer Filmkamera stand. Dem Film von Regisseur Rupert Goold liegt dabei das Theaterstück 'End of Rainbow' von Peter Quilter zu Grunde, das sich ebenfalls auf das Karriereende von Judy Garland focussierte.Besonders sehenswert wird der Film vor allem durch die fulminante Performance von Hauptdarstellerin Renée Zellweger in der Titelrolle, die ihre Figur dabei weniger imitiert als interpretiert, wie es der Kritiker des Tagesspiegels formulierte. Für Zellweger, die auch souverän die Gesangspassagen übernahm und dabei Klassiker wie z.B. 'Get Happy', 'Trolley Song' oder 'The Man That Got Away" zum Besten gibt, wurde das ganze selbst zu einer Art come back bzw. zur eher seltenen Gelegenheit ihre schauspielerischen Fähigkeiten auch in einer ernsthafteren Rolle wieder unter Beweis zu stellen, jenseits seichter Liebesromanzen wie z.B. den Bridget Jones-Filmen, für die sie einem größeren Publikum bekannt ist. Mit 'Judy' konnte sie dagegen jetzt schon u.a. den Golden Globe und die Auszeichnung als Beste Hauptdarstellerin bei den British Academy Film Awards 2020 gewinnen, sie gilt gleichzeitig auch als die heißestes Anwärterin auf den Oscar:„Als mehr oder weniger klassisches Biopic liefert „Judy" wenig Neues. Aber der Film lohnt schon deshalb, weil er Judy Garland die Würde eines eigenen, ganz speziellen Schicksals zurückgibt. Dass ihm das gelingt, liegt zuvorderst an Renée Zellwegers Auftritt, der eine wahrhaft transformierende Qualität hat: Zellweger bringt die Herzen der Zuschauer zum Schmelzen. (...) Zellweger spielt Garland nicht nur als hilflose Suchtkranke, sondern bringt auch die Reste der Stärken zum Vorschein, die zu einer Karriere wie der ihren dazugehören: ein trotziger Glauben an Romantik bei gleichzeitiger großer Härte gegen sich selbst. Am Ende trauert man um diese einzigartige Frau, als wäre sie gerade erst gestorben." (taz.de)„...and the dreams that you dream of, once in a lullaby."
„Der Regisseur Henning Gronkowski begleitet in seinem Film „Yung" vier Teenager, die in einer Welt aus Drogen, Sex und Partys auf der Suche nach sich selbst sind. Über ihr Leben sagt er: „Die Eltern haben keinen Plan, was abgeht."" (Deutschlandfunk Kultur)„Sofort mitten rein. Kein Herumlavieren. Kein vorsichtiges Herantasten. (...) Von Anfang merkt man dem Spielfilmdebüt von Henning Gronkowski an, dass es hier jemandem darum geht, Grenzen zu überschreiten - oder genauer: von Menschen zu erzählen, die das ganz selbstverständlich tun." (Süddeutsche.de)„Sind die Kids von heute wirklich so übermäßig fertig? Nach vier Minuten wird in Yung das erste Mal gefickt. Die Siebzehnjährige Janaina verkauft eine ihrer Körperöffnungen an einen älteren Mann. Er fragt sie, wie es in der Schule war – und dann zucken seine trockenen Füße am Hotelbettrand. (...) Wäre man noch zu schocken, müsste man sich Yung in etwa so shocking vorstellen wie Kids, den Sex- und Drogenfilm der 1990er. Nur in Berlin, nur ohne HIV und mit anderen Substanzen." (freitag.de)„Gronkowski filmt die Mädchen beim Webcamsex und beim Masturbieren, beim Abfilmen ihrer Körper bewegt er sich auf einem äußerst schmalen Grat. Das Paradigma der Unverfälschtheit lässt keinen Raum für ethische Erwägungen." (Tagesspiegel.de)„"Theoretisch kannst du in Berlin immer feiern. Erst gibt's eine Prehour, dann gehst du zur Party, dann zur Afterhour und hopst dann wieder zur nächsten. Und so weiter und so weiter", sagt Emi einmal. Gronkowski findet für diese Stimmung die richtige Form, indem er seinen Film nie an einem gewöhnlichen Plot oder dramaturgischen Linien entlang baut." (Süddeutsche.de)„ Henning Gronkowski spielt dabei mit noch mehr Referenzen: Dass alles stark improvisiert wirkt, als sei die Kamera einfach hinter den Darstellerinnen hergelaufen und habe festgehalten, was eben passiert, wenn es nur ganz wenige Anweisungen gibt – das hat sich Gronkowski beim Obercowboy des deutschen Films abgeguckt, bei Klaus Lemke, in dessen Low-Budget-Filmen er früher selbst mitgespielt hat (Schmutziger Süden, Unterwäschelügen). Ja, Yung entwickelt einen sehr ähnlichen, speziellen, schmuddeligen Lemke-Sog." (Zeit-Online)„Lemke hasst Drehbücher und liebt Laien, am liebsten blutjung. Gronkowski hat er 2006 für seinen WM-Film „Finale" entdeckt, nun trägt er mit „Yung" das Banner weiter." (Tagesspiegel.de)„Der Film wurde von den Laiendarstellerinnen maßgeblich gestaltet, das Drehbuch von Gronkowski lieferte nur zehn Seiten für das Intro: „Danach habe ich den Mädels völlig freie Hand gegeben. Ich möchte, dass es für sie relevant wird und dass es nicht meine Fantasien sind oder irgendetwas, das ich mir ausgedacht habe. Dieses Projekt entspricht hundert Prozent der Realität."" (Deutschlandfunk Kultur)„Gronkowski kokettiert immer wieder mit der Möglichkeit, dass die Dinge im Film gar nicht gespielt sein könnten, sondern vielleicht sogar echt sind. In der Promotion-Phase des Films hat er immer wieder angedeutet, dass die Darstellerinnen gar nicht geschauspielert hätten, sondern lediglich sich selbst gespielt. Oder zumindest lässt er sehr offen, wo genau hier die Grenze verläuft." (monopol)„Janaina, Emi, Abbie und Joy sind allesamt Laiendarstellerinnen, die sich mehr oder weniger selbst spielen. Damit spielt Gronkowski zusätzlich, indem er immer wieder Interviewszenen einstreut, in denen die Frauen - durchaus reflektiert - über ihre Erfahrungen sprechen. (...) Diese Einschübe haben einen herrlich widersprüchlichen Effekt: Sie verstärken einerseits den Eindruck der Authentizität, andererseits aber auch die Gemachtheit des Films, also seine Inszenierung als Hybridform, in der die Grenzen bewusst zerfließen." (Süddeutsche.de)„Yung ist als Riesenskandal kalkuliert, da gibt es gar keinen Zweifel. Der Film ist auf maximale Krassheit hingeschnitten, jede moralisierende Kritik wäre aus PR-Sicht ein Beweis, dass man es mit dem neuen Berliner Kultfilm zu tun hat, hart, brutal, echt, irgendwo zwischen Wir Kinder vom Bahnhof Zoo und Berlin Calling." (Zeit-Online)„Dass in der Rezeption des Films beständig davon geredet wird, dass die jungen Frauen ihre Sexualität selbstbestimmt ausleben würden, ist hoch befremdlich. Denn der gezeigte Sex ist entweder kommerzialisiert, gewaltvoll oder auf Drogen. Es ist ein Blick auf Berlin und auf Frauen, der ermüdend ist, weil er in alten Klischees watet. Die Geschichte der Jugend und auch die Partygeschichte Berlins ist komplizierter. Und so kratzt dieser Film, trotz aller Sehnsucht nach Echtheit, nur ganz zart an der Oberfläche." (monopol)
Originaltitel: YungRegie: Henning GronkowskiLänge: 95 (min)Darsteller: Janaina Liesenfeld, Emily Lau, Joy Grant, Abbie Dutton...Produktionsort: DeutschlandProduktionsjahr: 2019Startdatum: 28.11.19
„Das Problem des Menschen ist nicht, sich hohe Ziele zu setzen und zu scheitern, sondern sich zu niedrige Ziele zu setzen und Erfolg zu haben." (Michelangelo)Der österreichische Regisseur Erwin Wagenhofer wendet sich in seinem neuesten Film dem Wahren, Guten und vor allem auch dem Schönen zu, während er sich in seinen früheren teils preisgekrönten Dokumentationen vor allem kritisch mit den Widrigkeiten des Lebens oder genauer: den Schattenseiten und Abgründen der modernen Zivilisation auseinandergesetzt hat. So prangerte er in 'We Feed The World' von 2005 die verheerenden Auswirkungen der industriellen Massenproduktion von Nahrungsmitteln und auch die negativen Folgen der Globalisierung in diesem Bereich an. In 'Let's Make Money' dagegen von 2008 ging es um die krisenhaften Verwerfungen des modernen Finanzsystems, während 'Alphabet' aus dem Jahr 2013 einen kritisch-analytischen Blick auf unser Bildungssystem warf.'But Beautiful' dreht dagegen jetzt, wie eingangs angedeutet, fundamental die Blickrichtung und konzentriert sich ganz überwiegend auf positive Vorbilder und gelungene Beispiele für ein gutes Leben. Und dabei stehen, wie es der Titel schon nahelegt, Aspekte von Schönheit, Kunst und Ästhetik, nicht zuletzt aus dem Bereich der Musik, im Zentrum der Betrachtung. Porträtiert werden etwa der US-amerikanische Pianist, Komponist und Autor Kenny Werner, der als klassischer Pianist begann aber auch mit zahlreichen Jazz-Größen zusammengespielt hat. 1996 veröffentlichte er sein Buch „Effortless Mastery" über die Überwindung innerer Hemmungen und Zwänge und die Entdeckung und Entwicklung der eigenen Kreativität, was insbesondere viele junge Musiker inspirierte: „Es geht nicht darum, wohin sich die Musik entwickelt. Es geht darum, wohin sich die Musiker entwickeln." Der junge österreichische Jazz-Trompeter Mario Rom, Mastermind der Gruppe 'Mario Rom's Interzone', wird u.a. mit dem Satz zitiert: „Ich hab' gar nicht so ein ultimatives Ziel..., außer dass ich nicht die Freude an der Musik verliere." Das Credo der kolumbianischen Sängerin Lucia Polido, die in den USA lebt und deren Werk aus einem Crossover von lateinamerikanischen Hirten-, Klage-, Erntelieder mit Jazz- und Klassikelementen besteht, lautet dagegen: „Respekt vor dem anderen Menschen würde der Welt einen viel harmonischeren Lauf erlauben."Vorgestellt werden desweiteren der Förster Erwin Thoma, der mit seiner Firma spezielle Holzhäuser auf ökologischer Grundlage in aller Welt erstellt:„Es ist ein fataler Irrtum, dass wir glauben, das Leben funktioniere nur, wenn man kämpft." Das Schweizer Ehepaar Barbara und Erich Graf betreibt auf La Palma ein Zentrum für autarke Permakultur und ökologische Lebensentfaltung, um erodierte oder verseuchte Böden wieder in fruchtbares Ackerland zurückzuverwandeln: „Es kommt auch vor, dass wir Leute besuchen und Mist mitbringen. An Mist mangelt es immer." Der Inder Sanjit „Bunker" Roy gründete dagegen die Barefoot Colleges für benachteiligte Menschen, in denen mittlerweile mehrere Millionen Männer aber vor allem Frauen, Kinder und Großmütter eine schulische oder berufliche Ausbildung erhielten: „Die Frauen werden es sein, die der Welt Veränderung bringen."Mit dem aktuellen Dalai Lama kommt auch eine weltweit prominente Person in Wagenhofers Film zu Wort, der bei seinem Besuch der sogenannten „Mind & Life"-Konferenz gezeigt wird, eine langjährig bestehende Gesprächsreihe zwischen dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter und Naturwissenschaftlern. Mit dessem bekannten Sinn für Ironie schränkt er die Bedeutung traditioneller Religion - und damit auch seine eigene Bedeutung - grundlegend ein: „Menschen beten seit Tausenden Jahren zu Gott und Buddha. Gesellschaftlich gesehen, ist das Ergebnis nicht sehr erheblich." Weniger bekannt ist allerdings die 1940 geborene jüngste Schwester des Dalai Lama, Jetsun Pema, obwohl sie in Jean-Jacques Annauds Spielfilm „Sieben Jahre in Tibet" ihre eigene Mutter gespielt hat, und auch ihr Lebenswerk wird in der Dokumentation näher vorgestellt. Zusammen mit ihrer älteren Schwester leitete sie über 40 Jahre lang 12 Kinderdörfer, wobei sie später Ministerin für Bildung und Erziehung der tibetischen Exilregierung wurde: „Wenn du in mein Alter kommst, wirst du wissen, was zu tun ist. Ich jedenfalls habe mein Bestes versucht."der Freitag: „War es schwerer, Protagonisten für das Gute zu finden, als solche, die Kritik üben?"Erwin Wagenhofer: „Es war enorm viel schwerer. Es ist eben leichter auf der Welt, Dinge und Zustände zu kritisieren und filmisch herauszuarbeiten, was nicht funktioniert." (...)„Michelangelos Zitat spricht ja auch von kleinen Zielen. Wie halten Sie es damit? Erwin Thoma, der Mann des Holzes, einer Ihrer Protagonisten in „But Beautiful", hat genau diese kleinen Schritte im Visier." „Es ist eine Frage der Perspektive, wie man den Spruch interpretiert. Ich denke, Michelangelo und Thoma wären sich ziemlich einig. Erwin Thoma sagt im Film, wir sollten so entscheiden, dass es auch noch für die siebente Generation nach uns gut ist. Dieses Denken hat dazu geführt, dass er die gesündesten Holzhäuser der Welt baut. Oder die Grafs, die sind beide Akademiker und hatten gute Jobs in Berlin, bevor sie ausgewandert sind, um auf La Palma Ödland zu kaufen und es in sehr kleinteiliger Handarbeit in ein Paradies zu verwandeln. Das scheinen mir die hohen Ziele zu sein, wie sie Michelangelo meint." (Erwin Wagenhofer im Gespräch mit der Wochenzeitung „der Freitag")„Durch die Schönheit wird der sinnliche Mensch zur Form und zum Denken geleitet; durch die Schönheit wird der geistige Mensch zur Materie zurückgeführt und der Sinnenwelt wiedergegeben." (Friedrich Schiller, „Über die ästhetische Erziehung des Menschen", 1795)KURZ NOTIERT: Im November sind auch noch eine ganze Reihe weiterer sehenswerter Dokumentationen in den deutschen Kinos angelaufen: Der Dokumentarfilm CAIRO JAZZMAN (ab 7.11.) aus dem Jahr 2017 erzählt die Geschichte des Cairo Jazz Festivals und seines Gründers Amr Salah, einem ägyptischen Jazzkomponisten. Durch die politischen Umstände der Zeit und die gesellschaftlichen Umbrüche in Ägypten wird der Film so auch zu einem aktuellen Porträt der Hauptstadt Kairo. ------- In ASTOR PIAZZOLLA - THE YEARS OF THE SHARK (ab 7.11.) geht es um den revolutionären Erneuerer der argentinischen Tango-Tradition. Der Bandeonist und Komponist Astor Piazzolla (1921-1992) wurde inspiriert von klassischer Musik wie auch von moderner Jazz-Musik, was zunächst auf große Ablehnung stieß. In den frühen 50er Jahren studierte er sogar in Paris Klavierkomposition, wobei er dabei allerdings seine Wurzeln im Tango wiederentdeckte: „Für seinen Dokumentarfilm stürzte sich der Sohn von Piazzolla, Daniel Rosenfeld in die Privatsammlung der Familie. Zusammengekommen sind einzigartige Aufnahmen zahlreicher Auftritte und intime Familienfilme, die zusammen ein lebendiges Porträt von Astor Piazzolla ergeben." (filmstarts.de) ------- 2040 - WIR RETTEN DIE WELT! (ab 7.11.) hat nicht nur ein ähnliches Thema wie 'But Beautiful' sondern focussiert sich ebenfalls auf positive Lösungsansätze bei dem Versuch, sich die Welt im Jahr 2040 vorzustellen: „Strukturiert hat der Regisseur seinen Film als visuellen Brief an seine 4-jährige Tochter. Er kombiniert traditionelles Dokumentationsmaterial mit gespielten Sequenzen und visuellen Effekten, um eine Vision der Zukunft zu erstellen, wie er sie sich nicht nur für sein eigenes Kind wünscht." (filmstarts.de) ------- In SONGS OF FREEDOM (ab 7.11.) geht es um die kanadische Sopranistin Measha Brueggergosman, die „Freedom Songs" aus Afrika singt und erforscht, die mit dem Sklavenhandel nach Nordamerika kamen. Die Sängerin begibt sich dabei auch auf die Spuren ihrer eigenen Familiengeschichte, die zweihundert Jahre zurück bis nach Kamerun reicht. ------- Völlig anders gelagert ist dagegen die Wissenschaftsdoku HUMAN NATURE: DIE CRISPR REVOLUTION (ab 7.11.) über die Möglichkeiten, Grundlagen und Gefahren der neuen Genschere „Crispr", die ganz neue Horizonte in der Biologie und vor allem in der Medizin eröffnet. Vorgestellt werden Wissenschaftler, die die Genschere entdeckt haben, Familien, die von ihrer Anwendung profitieren könnten, sowie Bioingenieure, die ihren Einsatz vorantreiben wollen. ------- In einer weiteren Wissenschaftsdoku geht es noch tiefer hinab in die Feinstrukturen der Materie, denn in DIE SINFONIE DER UNGEWISSHEIT (ab 7.11.) reist die promovierte Physikerin Claudia Lehmann, die aber schon lange als Filmemacherin bzw. Videokünstlerin arbeitet, zum größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem DESY in Hamburg, um u.a. der alten Frage nachzuspüren, was die Welt im Innersten zusammenhält. „Hier bringen Claudia Lehmann und Konrad Hempel für ihren Dokumentarfilm „Die Sinfonie der Ungewissheit" ungewöhnliche Personen zusammen, um über das Leben zu sprechen: eine Schamanin, den Physikprofessor Gerhard Mack und andere Wissenschaftler. Sie alle konfrontieren die Filmemacher mit der Frage zu unserer Existenz. Weltsichten kollidieren. Und schnell wird klar: Einfache Wahrheiten gibt es nicht." (Deutschlandfunk Kultur) ------- Regisseur Anton Corbijn ('Control', 'The American') begleitete die legendäre Elektronik-Band Depeche Mode während ihrer 'Global Spirit Tour' 2017/2018, die bei 115 Konzerten vor fast 3 Millionen Fans spielte. Dabei hat er in DEPECHE MODE: SPIRITS IN THE FOREST (ab 21.11.) nicht nur die Begeisterung und die Perfomance z.B. auch bei den finalen Auftritten in der Berliner Waldbühne eingefangen, er warf auch einen Blick hinter die Kulissen und porträtierte sechs besondere Anhänger, um die zeitlose Relevanz der Band zu vermitteln. ------- Der Dokumentarfilm DICKTATORSHIP (ab 28.11.) der beiden Filmemacher Luca Ragazzi und Gustav Hofer schließlich sucht nach den Ursprüngen des männlichen Chauvinismus und nimmt dabei speziell die Verhältnisse in Italien genauer unter die Lupe, einem Land, in dem es 887 Umschreibungen für den Penis geben soll: „Von den Mussolinis, Berlusconis und Casanovas des Landes inspiriert, wollen sie ergründen, warum viele Gesellschaften noch immer so vom männlichen Geschlecht getrieben sind und was die Dreifaltigkeit aus Penis, Macht und Politik so anziehungskräftig für die Menschen macht..." (filmstarts.de)
Die vierköpfige Familie Kim lebt in einer schäbigen Kellerwohnung am Rande des Existenzminimums und schlägt sich gerade so durchs Leben. Durch einen glücklichen Zufall kann der jüngste Sohn eine Stelle als Hauslehrer bei der reichen Familie Park ergattern und nach und nach schaffen sie es durch Intrigen und Urkundenfälschungen, daß auch die übrigen Familienmitglieder bei den Parks angestellt werden. Die Unterwanderung der Parks durch die Familie Kim nimmt dabei immer tolldreistere Formen an...Mit 'Parasite' legt der koreanische Regisseur Bong Joon-ho einen furiosen Genremix aus schräger Familienkomödie, gesellschaftskritischer Farce und schwarzhumoriger Satire vor, der im Frühling mit einem einstimmigen Votum der Jury schon die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes gewann. Der Film stiess dabei nicht nur auf große Begeisterung bei den Kritikern, die teils Vergleiche mit großen Regiekollegen wie Hitchcock, Chabrol oder Buñuel zogen, sondern auch das Kinopublikum strömt weltweit in die Vorführungen. In Südkorea haben bereits über zehn Millionen Menschen 'Parasite' gesehen und in den USA gelang ihm der beste Start aller Zeiten für einen fremdsprachigen Film, was im Mutterland des global dominierenden Hollywoodkinos und mit den durch die heimische Produktion geprägten Sehgewohnheiten keine Kleinigkeit ist. Mittlerweile wird er sogar als Oscarfavorit nicht nur für den besten ausländischen Film sondern auch für die neu geschaffene Kategorie des besten internationalen Films und sogar als bester Film überhaupt gehandelt.Regisseur Bong Joon-ho, der vor seiner Filmkarriere Soziologie studiert hat, erweist sich dabei nicht nur als genauer Beobachter und Analytiker von sozialer Ungleichheit oder „den feinen Unterschieden", wie der französische Starsoziologe Pierre Bourdieu (1930-2002) einst sein theoretisches Hauptwerk über die unterschiedlichen kulturellen und habituellen Eigenarten verschiedener sozialer Schichten, Milieus und Klassen genannt hatte. Er besitzt vor allem auch die Fähigkeit und erzählerische Kraft solche zunächst doch eher blutleer-abstrakten und politischen Zusammenhänge mit Leben zu erfüllen und sie in phantastische Geschichten umzusetzen. So hatte er etwa schon in der so rasanten wie düsteren Science Fiction-Dystopie 'Snowpiercer' von 2013 das ewige Spannungsfeld zwischen Herrschern und Beherrschten mit den Mitteln des intelligenten Action-Kinos illustriert und auch in seiner von Netflix produzierten Öko-Satire 'Okja' von 2017 über ein genmanipuliertes Riesenschwein geht es um den Kampf zwischen idealistischen Underdogs gegen einen schier übermächtig erscheinenden Großkonzern.Damit reiht sich Bong Joon-ho ein in den schon lange anhaltenden künstlerischen Aufschwung des südkoreanischen Kinos, der mit Namen wie Lee Chang Dong, dem Schöpfer der gefeierten Murakami-Verfilmung 'Burning' von letztem Jahr, Kim Ki Duk ('Hwal - Der Bogen'), Hong Sang Soo ('Einmal fremd, einmal vertraut'), Park Chan Wook ('Oldboy', 'Durst', 'Die Taschendiebin') oder Im Sang-soo verbunden ist, dem Regisseur des Erotikdramas 'Das Hausmädchen' von 2010, als Remake eines Klassikers von 1960. Mit 'Das Hausmädchen' gibt es gewisse inhaltliche wie formale Parallelen zu 'Parasite', nicht zuletzt, weil Bongs Szenenbildner Lee Ha Jun Jun auch für die Ausstattung in diesem Remake verantwortlich war. Bongs so unterhaltsame wie bitterböse Kapitalismusparabel, die das Thema der sozialen Spaltung so mitreißend in Szene setzt, zielt dabei aber nicht nur auf die zunehmende Ungleichheit in seinem Heimatland, die weltweite Resonanz zeigt deutlich, daß er damit einen globalen Nerv getroffen hat:„Bong nennt ihn einen „Film der Türen und Treppen". Die Villa ist großzügig angelegt, mit vielen Treppen, die in die oberen Stockwerke führen, aber auch in den Keller – das Reich der Haushälterin. „Jede Tür öffnet sich auf ein Geheimnis", sagt Bong. Darum hat er die erste Haushälterin, die nach einer Intrige ihren Job bei den Parks verliert, Moon-gwang genannt: Ihr Name enthält das koreanische Wort für „Tür". Sie kennt alle baulichen Geheimnisse der Villa, sie sind auch für die Architektur des Plots essenziell." (tagesspiegel.de)„Seit seinem ersten Spielfilm, Hunde, die bellen, beißen nicht, aus dem Jahr 2000 gilt Bong als meisterhafter Handwerker und Stilist. Und nicht gerade als Sensibelchen. Überzeichnung ist eine seiner zentralen Strategien. Man wundert sich auch in seinem jüngsten Film immer wieder, wie er so dick auftragen kann, ohne dass alles in sich zusammenstürzt. Parasite ist Klassenkampf in der K-Pop-Version. Opulent und perfekt orchestriert wird aus dem sozialkritischen Setting eine Form von Hyperrealismus. Die Figuren sind vor dem realen ökonomischen Hintergrund übersteigert ins Karikaturhafte, inszeniert vor perfekter Kulisse, in einem Film, der so wandlungsfähig ist wie seine Protagonisten." (freitag.de)„Dabei erscheinen die Reichen hier nicht grausam und nicht einmal besonders unsympathisch; sie bezahlen ordentlich und benehmen sich freundlich; ihr Habitus, der Campingtrips, spontane Gartenpartys und Klitorismassagen auf dem Sofa einschließt, hat durchaus etwas Cooles, Aufgeklärtes. "Geld ist wie ein Bügeleisen, es glättet alle Falten", sagen die Kims. Marx würde vielleicht bemerken, dass Leute wie die Parks so entspannt sein können, weil ihre Vorstellungen von Lebensqualität allgemeiner Maßstab, weil die "Gedanken der herrschenden Klasse in jeder Epoche die herrschenden Gedanken" sind." (zeit.de)PS: Ebenfalls am 17. Oktober startete in den deutschen Kinos der Dokumentarfilm DAS KAPITAL IM 21. JAHRHUNDERT nach dem gleichnamigen Buch des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty, das nach seinem Erscheinen 2013 weltweit Furore machte. In dieser Studie geht es auf vielfältiger empirischer Grundlage um die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit in den letzten dreihundert Jahren als wesentliches Element einer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts in den Industrienationen noch einmal deutlich angestiegen seien und damit zunehmend die Demokratie bedrohten. Regisseur Justin Pemberton, der seine Karriere einst mit dem Drehen von Musikvideos begann, versucht Kernthesen des Buches mit Experteninterviews, Filmausschnitten und verschiedenen popkulturellen Referenzen anschaulich zu illustrieren, um dessen Botschaften zu popularisieren, wobei die Kritik nur teilweise von dieser Herangehensweise überzeugt war:„Gut dreihundert Jahre lässt Pemberton auf seiner Zeitreise Revue passieren, für ihn ist der Kapitalismus Schönheit und Biest zugleich, atemberaubend kreativ und ein Erfinder herrlicher Dinge – doch wehe, er bricht zusammen. Piketty hat Angst vor brutalen sozialen Spaltungen, und die Stimmen, die der Film versammelt, haben das auch. Kate Williams, Suresh Naidu, Paul Mason, Gabriel Zucman, Joseph Stiglitz und viele andere sind Meister darin, die Dinge klar und klug zu erklären und den Nagel auf den Kopf zu treffen. Und doch beschreibt der Film die Welt simpler, als sie ist, wobei die überhastete Clip-Ästhetik ironischerweise an jene visuellen Geschmacksverstärker erinnert, mit der einst der Neoliberalismus in die Köpfe getackert wurde." (zeit.de)
Originaltitel: ParasiteRegie: Bong Joon-hoLänge: 132 (min)Darsteller: Song Kang-ho, Lee Sun-kyun, Jo Yeo-jeong, Jang Hye-jin...Produktionsort: SüdkoreaProduktionsjahr: 2019Startdatum: 17.10.19
Berlin in der Leichtigkeit und Schwüle eines warmen Sommers: Maria und Niels sind seit zwei Jahren ein Paar, leben in den Tag hinein und führen eine freizügige sexuelle Beziehung. Als sie Chloe kennenlernen und es bald darauf zu dritt miteinander probieren wollen, müssen die beiden ihre unterschiedlichen Vorstellungen von Nähe und Grenzen noch einmal neu auf den Prüfstand stellen...„Thomas Moritz Helms Filmdebüt erzählt mit unverkrampfter Selbstverständlichkeit von diesem fragilen Zustand zwischen Freiheit und Verunsicherung. Die Bewegungen seiner Protagonisten sind stets tastend und ihre Überschreitungen nie künstliche Provokation. Ein leichtfüßiges Lehrstück über das Driften in den Widersprüchlichkeiten der Liebe." (Süddeutsche-Online)„Wie liebt man zu dritt? Und wie wird man zu dritt schwanger? Der deutsche Debütfilm "Heute oder morgen" nimmt sich Polyamorie unter Millennials an." (Spiegel-Online)„Maria, Niels und Chloe – bloß ein Berliner Sommerkickfickabenteuer? Oder sind doch Gefühle im Spiel?" (Die Zitty-Kurzfassung des Films)LIBERTÉ (ab 12.09.)1774, irgendwo zwischen Berlin und Potsdam: Eine Gruppe von freigeistigen französischen Adeligen wurde vom Hof Ludwig d. XVI. verbannt und sucht nun die Unterstützung eines deutschen Herzogs und Freidenkers. Gemeinsam teilen sie die Ideale der philosophischen Aufklärung und die Vorstellung eines zügellosen, freien Lebens, frei von Moral und traditioneller Autorität und voller sinnlicher Ausschweifungen...Sperrig und eigenartig, „beklemmend" und „betörend" (s.u.): Der katalanische Theaterregisseur Albert Serra hat sein eigenes Stück verfilmt, das erst letztes Jahr an der Berliner Volksbühne lief und auf zwiespältige Resonanz stiess, mit Helmut Berger als libertärer Herzog, der seine Rolle auch in der Filmversion übernahm, und Ingrid Caven als französische Adelige, die wiederum nicht im Film mitspielt. Wie schon in der Theaterfassung wird keine konventionelle Handlung bzw. Erzähldramaturgie geboten sondern einzelne Szenen, Situationen, Dialoge oder gezielte Tabubrüche irritieren herkömmliche Sehgewohnheiten und beschwören eine eigentümliche Stimmung des Exzess und der Grenzüberschreitung, ohne dabei allerdings pornographische Klischees zu bemühen. Auf diese formale Machart sollte sich der Kinogänger schon einstellen können, wenn er einen Erkenntnisgewinn - sei er sinnlich-ästhetisch, sei er geistig - aus dem ganzen ziehen will, denn sonst könnten die 132 Minuten verfilmtes Theater schnell anstrengend werden. Im Unterschied zur Theaterversion entfaltet der Film allerdings eine größere Unmittelbarkeit, Direktheit und Intimität, was sich insbesondere auf die intensivere Wahrnehmung der nackten Körper auswirke, wie Regisseur Serra im taz-Interview betonte:„Fazit: Alles spielt sich im Halbdunkeln ab. Fast gespenstisch wechseln sich dumpfe Dialogfetzen mit immer wilder werdenden Sex-Spielchen ab. Bis zur Perversion wird provoziert. Blanke Busen und pulsierende Penisse können heute jedoch nicht mehr schocken. Nur eine lustlose Zurschaustellung, die langweilt." (BILD-Online) O Tempora, o mores, wo soll das alles enden? Wenn jetzt schon die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung - anscheinend - noch stärkere, provozierendere bzw. weniger langweilige Perversionen vermisst!??„Im Wald die Beine breit machen, den Po emporstrecken für die Peitsche, bluten und leiden und genießen. Albert Serra beschwört die Kräfte der Zügellosigkeit auch in seinem Kinofilm Liberté – je beklemmender es wird, desto betörender wirkt es." (critic.de)PETTING STATT PERSHING (ab 05.09.)Eine Kleinstadt in der hessischen Provinz im Jahr 1983: Die 17jährige etwas pummelige Ursula verliebt sich in den neuen charismatischen Junglehrer Siegfried, der für den Frieden und sexuelle Befreiung eintritt und mit dem die Ideale der späten 60er auch bei ihnen auf dem Land verspätet Einzug halten. Doch hat der überhaupt auch Augen ausgerechnet für sie!?....„Petting statt Pershing" war ein populärer Spruch der Friedens- und Spontibewegung in den frühen 80er Jahren, der im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses, mit dem der Westen neue atomare Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing 2 als Antwort auf sowjetische SS-20 Raketen aufstellte, um Abrüstungsverhandlungen zu erzwingen, ironisch-salopp die große Politik mit dem innersten Intimleben kurzschloss. Er transportierte den neuen freizügigen Umgang mit Sexualität seit der „sexuellen Revolution" in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in die politischen Debatten der 80er, ganz im Sinne etwa der Parole „das private ist politisch".Das Regiedebüt und die milde Satire von Regisseurin Petra Lüschow kann zwar nicht mit jeder Handlungswendung überzeugen, sie glänzt aber vor allem auf soziologischer und atmosphärischer Ebene, wenn sie mit viel Liebe zum Detail die Interieurs, die Kleidung, Frisuren, Sprachcodes usw., also den ganzen soziokulturellen wie psychologischen Habitus der Zeitgenossen, rekonstruiert, um die einstigen inhaltlich-ideologischen Konflikte vor dem vielfältigen Hintergrund des damaligen Alltags noch einmal emotional aufleben zu lassen. So wie einem mit diesem Ausflug in die Zeit kurz nach Gründung der grünen Partei sinnlich-eindringlich vor Augen geführt wird, daß aktuelle politische Debatten oder weltanschauliche Grundhaltungen eine längere Vorgeschichte besitzen, so wird einem anschaulich bewußt, wie auch die beschriebene Phase der frühen 80er Jahre wiederum in vorangegangenen Entwicklungen und Veränderungen wurzelte. Damit wird dem Kinozuschauer nebenbei der Begriff der sogenannten „Ungleichzeitigkeit" unmittelbar anschaulich und zugänglich, der einst vom Philosophen Ernst Bloch geprägt wurde, nach dem Menschen zwar in derselben historischen Zeit leben aber politisch, kulturell, innerlich und geistig von ganz unterschiedlichen Zeitaltern geprägt sein können, resultierende massive Verständigungsschwierigkeiten inklusive:„We didn't start the fire, it was always burning, since the world's been turning..." (Billy Joel)„Regisseurin Petra Lüschow lässt die Alltagsszenen immer wieder ins Absurde kippen. (...) Anna Hornstein als rebellisch naive Ursula mit Lamawollmütze ist herrlich normal. Und der softe Junglehrer entpuppt sich als Casanova-Arschloch. Das ist treffend echt und dann auch wieder satirisch überzeichnet. Nach ein paar Längen kommt es zu einem überraschend bizarren Finale. Dabei findet der Film stets die Balance zwischen Komik und Melancholie, zwischen provinzieller Tristesse und Aufbruchsstimmung. Eine hübsche kleine Provinzkomödie über das Deutschland der 80er." (NDR)DER HONIGGARTEN - DAS GEHEIMNIS DER BIENEN (ab 05.09.)Eine schottische Kleinstadt in den 50er Jahren: Zwei Frauen verlieben sich ineinander und geraten in Konflikt mit der herrschenden konservativen Sexualmoral. Auch der kleine Sohn von einer der beiden Frauen wird schicksalshaft in das sich entwickelnde Verhängnis hineingezogen...Berührendes Drama von Regisseurin Annabell Jankel ('D.O.A. – Bei Ankunft Mord', 'Super Mario Bros.') über eine innige Liebe in engstirnigen Zeiten und mit stimmungsvollen Bildern, die das zwischenmenschliche Geschehen in einen naturromantischen bzw. metaphorisch-fantastischen Kontext einbetten. Nach dem Weltbestseller "Der Honiggarten" von Fiona Shaw:„Oscar-Preisträgerin Anna Paquin spielt in "Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen" eine der Frauen – eine leidenschaftliche Ärztin. Ihre zweite Leidenschaft ist es, Bienen zu züchten. Das Bienensummen zieht sich durch den Film und verleiht ihm eine besondere Atmosphäre." (queer.de)
Irgendwann in der Zukunft: Die Menschheit ist fast ausgestorben und nur ein Roboter namens „Mutter" kümmert sich um die Aufzucht von menschlichen Embryonen, die in einen Inkubator gelegt werden und schon 24 Stunden später körperlich völlig ausgereift sind. Eine dieser Töchter, die in einer bunkerartigen Wiederbesiedelungsanlage lebt und ein vielfältiges Erziehungsprogramm der „Mutter" durchläuft, begegnet eines Tages allerdings einer älteren Frau (gespielt von Hilary Swank), die behauptet, daß das behauptete Schicksal der Menschheit und ihr ganzes Leben auf einer großen Lüge beruhe!...Kein bombastisches Action-Spektakel a la 'Terminator' und co. sondern mehr ein spannendes Science Fiction-Kammerspiel in der Tradition von Filmen wie 'Ex Machina', 'Moon', 'Her' oder 'Solaris', die von einer intelligenten Geschichte mit philosophischem Tiefgang geprägt sind. Das Spielfilmdebüt des australischen Regisseurs Grant Sputore beeindruckt dabei vor allem mit einem cleveren Drehbuch, das jede Menge überraschender Wendungen bereithält, der Leinwandpräsenz der jungen dänischen Schauspielerin Clara Rugaard in der Rolle der Tochter oder der - trotz fehlendem Blockbuster-Budget - fantastischen Tricktechnik, die z.B. die vermenschlichte und zwischen Fürsorglichkeit und Bedrohlichkeit so ambivalent schillernde Mutterfigur glaubhaft vermitteln kann. Inhaltlich sind auch die verschiedenen Bezüge auf die klassischen drei Robotergesetze von Isaac Asimov besonders erwähnenswert, auch wenn nicht jede diesbezügliche Reflexion einer genaueren geistigen Prüfung standhalten dürfte:„Mit der Ankunft der fremden Frau spielt „I Am Mother" vor allem mit den sich immer wieder verschiebenden Allianzen. Zwischen den beiden potenziellen „Müttern" entbrennt ein regelrechter Wettstreit um das Vertrauen von „Tochter" – und da der Kinobesucher nur wenig mehr erfährt als die hin und her gerissene Teenagerin, ist es auch für uns als Zuschauer nahezu unmöglich, sich für eine Seite zu entscheiden. Zumal „I Am Mother" mit allerlei neuen Enthüllungen in schneller Abfolge zugleich dafür sorgt, dass wir mit unserer – oft auch sehr grundsätzlich ethischen – Einschätzung der Situation wieder von vorne beginnen müssen." (filmstarts.de)RETROSPEKTIVE ANDREJ TARKOWSKIJ (vom 3. bis zum 25. August))Das Gesamtwerk des russischen Filmregisseurs Andrej Tarkowskij (1932-1986) gehört in eine Klasse mit dem Schaffen anderer Kinomagier vom Range Stanley Kubricks, Federico Fellinis oder Akira Kurosawas. Die Wahl seiner Themen und inhaltlichen Stoffe ist zwar nicht nach jedermanns Geschmack, aber in der Umsetzung und künstlerischen Beherrschung der formalen Mitteln des Mediums Film entsteht eine suggestive Dichte, Intensität und poetische Kraft des filmischen Erlebnisses, die ihresgleichen suchen. Dabei sind seine Werke oft von der Spannung zwischen Realismus und surreal-phantastischen Elementen, zwischen Wachheit und Traum sowie einer eigentümlichen Melancholie geprägt, die u.a. durch eine „Ästhetik der Entschleunigung" hergestellt wird, wie sie etwa auch für die Filme von Wim Wenders oder Jim Jarmusch charakteristisch ist.Für das Berliner Arsenal-Kino im Sony-Center am Potsdamer Platz, im Haus des Kinomuseums, ist es daher schon eine über fünfundzwanzigjährige Sommertradition, die sieben langen Filme von Tarkowskij und seine mittellange Abschlußarbeit an der staatlichen Filmhochschule in einer Retrospektive zu zeigen und künstlerisch angemessen auf der großen Leinwand zu präsentieren. Den Anfang macht eben diese Diplomarbeit ('Katok I Skripka' - 'Die Walze und die Geige', 1960), die zusammen mit seinem letzten Film ('Offret' - 'Opfer', 1986) aufgeführt wird, den er in Schweden realisierte (3.8. und 25.8.). Danach folgen 'Iwans Kindheit' aus dem Jahre 1962 über das Schicksal eines 12-jährigen Jungen im Zweiten Weltkrieg (4.8. und 7.8.), die monumentale Künstlerbiographie 'Andrej Rubljow', die in den Jahren 1966-69 entstand und Probleme mit der sowjetischen Zensur bekam (9.8. und 17.8.) und sein im Westen wohl bekanntestes Werk 'Solaris', die kongeniale Verfilmung eines Romans von Stanislav Lem über die mysteriösen Erlebnisse eines Psychologen auf einer fernen Raumstation (10.8. und 23.8.).'Stalker' aus dem Jahre 1980 berichtet über die Reise in eine geheimnisvolle „Zone", die zur imaginären Fahrt in die Innenwelt des Protagonisten wird (16.8. und 24.8.). 'Der Spiegel' von 1975 ist stark autobiographisch gefärbt und behandelt die Umbrüche in der Sowjetunion von den 30ern bis in die 70er-Jahre in einer komplexen, nicht-linearen Erzählform (11.8. und 14.8.). 'Nostalghia' schließlich, der 1983 in Italien entstand, beschwört einen bestimmten Seelenzustand anhand eines fern der Heimat lebenden russischen Schriftstellers herauf, der eine Biographie über einen italienischen Komponisten schreiben will (15.8. und 18.8.).UPDATE 22.8.: Der Link führt jetzt zunächst in den KitKat-Pressespiegel zu einem Bericht über eine aktuelle Ausstellung in Moskau, die auch das Werk Tarkowskijs würdigt und es in den kulturgeschichtlichen Kontext stellt.60's FRANCE (vom 8. bis zum 18. August)Das Babylon Kino Berlin zeigt vom 8. bis zum 18. August rund 20 französische Klassiker aus den 60er Jahren, fast alle im Original mit englischen Untertiteln:„Die 60er Jahre waren weltweit eine Zeit des Umbruchs. Cuba Krise, Ermordung von John F Kennedy, der erste Mensch im Weltraum. Frankreich befand sich im Algerienkrieg, der offiziell so nicht genannt werden durfte und im Mai 68 führten Studentenunruhen zu einer allgemeinen Staatskrise. Dazwischen, darunter, darüber lag ein filmischer Aufbruch von Weltgeltung, die Nouvelle Vague. Atemlos. Außer Atem." (Babylon Kino)Zu sehen sind u.a. 'Schießen Sie auf den Pianisten' von François Truffaut aus dem Jahr 1960, 'Zazie in der Metro' von Louis Malle aus dem Jahr 1960, 'Letztes Jahr in Marienbad' von Alain Resnais aus dem Jahr 1961, 'Die Verachtung' von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1963, 'Die Regenschirme von Cherbourg' von Jacques Demy aus dem Jahr 1964, 'Glück aus dem Blickwinkel des Mannes' von Agnès Varda aus dem Jahr 1965, '2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß' von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1967, 'Geraubte Küsse' von François Truffaut aus dem Jahr 1968 oder 'Hiroshima, mon amour' von Alain Resnais schon aus dem Jahr 1959.In 'Außer Atem' von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1960 erschiesst der Kleinkriminelle Michel (Jean-Paul Belmondo) bei einer Verkehrskontrolle einen Polizisten. Als er Unterschlupf bei einer amerikanischen Studentin (Jean Seberg) findet, verliebt er sich in die junge Frau... Das Erstlingswerk von Regisseur Jean-Luc Godard hat Filmgeschichte geschrieben, da es mit gängigen technisch-dramaturgischen Inszenierungsregeln insbesondere des US-Kinos brach und so die Filmsprache revolutionär erweiterte. 'Außer Atem' wird am 8., 10., 13., 15. und 17. August im Babylon Kino gezeigt.Im Kultklassiker 'Jules und Jim' von François Truffaut aus dem Jahr 1961, der in Paris vor dem ersten Weltkrieg spielt, sind zwei Männer in die gleiche Frau verliebt. Für wen wird sie sich entscheiden?... Romantisch-melancholisches Liebesdrama von Francois Truffaut über eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung, mit Jeanne Moreau, Oskar Werner und Henri Serre. Nach dem gleichnamigen Roman von Henri-Pierre Roché, der auf der wahren Lebensgeschichte des deutschen Schriftstellers Franz Hessel und seiner Frau Helen Hessel beruht. Der Film läuft am 9., 14. und 17. August.Im Erotikdrama 'Belle de Jour' von Louis Bunuel, dem Altmeister des surrealistischen Films, aus dem Jahr 1967 arbeitet eine Arztgattin - gespielt von Catherine Deneuve - heimlich in einem Luxusbordell, um ihre sexuellen Fantasien auszuleben. Dabei gerät sie in Schwierigkeiten... "Mit "Belle de Jour - Schöne des Tages" verfilmte Luis Buñuel einen Roman von Joseph Kessel. Der große Surrealist hat einen Film realisiert, in dem die fortschreitende Handlung immer wieder mit surrealen Sequenzen versetzt ist. Der Zuschauer wird in eine Welt entführt, in der die Grenzen von Tagträumen und Wirklichkeit miteinander verschwimmen." (Arte-Text) Der Film wird am 9., 12., 13., 17. und 18. August gezeigt.WOODSTOCK 50! (vom 12. bis zum 28. August)In einer weiteren Reihe und im zeitgeschichtlichen Anschluß an die französischen Klassiker aus den 60er Jahren zeigt das Babylon Kino auch 30 Filme aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums des Festivals in Woodstock im August 1969, auch hier fast alle im Original oder mit Untertiteln:„Heute wissen wir, Woodstock war ein Höhepunkt, vielleicht der Höhepunkt eines Aufbruchs. Film, Musik, Mode, Literatur, Lebensweise wurden in dieser Zeit radikal verändert. Es war ein Exzess, eine Ekstase, ein Ur-Schrei, eine Befreiung vom Gehorsam gegenüber der autoritären Tradition. Eine Renaissance! Hat sich die Hoffnung erfüllt? Leben wir heute in einer besseren Welt? Eher nicht. (...)" (Babylon Kino)Zu sehen sind u.a. 'Alice's Restaurant', Apocalypse Now - Final Cut (siehe unten, Kinotips Juli), 'The Beatles: Eight Days A Week', 'Blow Up', 'Blutige Erdbeeren', 'Easy Rider', 'Frank Zappa - Eat That Question', 'Hair', 'Monterey Pop', 'Die Reifeprüfung', 'Rolling Stones on Tour: Gimme Shelter', 'Taking Woodstock', 'Woodstock (1970)', 'Zabriskie Point'.Willkommen im Magischen Theater: Eintritt nur für Verrückte! Oliver Stones Musik-Drama 'The Doors' von 1991 über die Kultrockband der 60er öffnet die Pforten der Wahrnehmung und entführt in ein ganz eigenes Spiegelkabinett seelischer Abgründe und geheimer Obsessionen. Mit einem überragenden Val Kilmer als Jim Morrison, der hier als Dionysos der Pop-Kultur inszeniert wird, als altgriechischer Gott des Weines, des Festes, der rauschhaften Ekstase. Der Film läuft am 13., 18. und 20. August auf der großen Leinwand im Babylon Kino. PS: Auf der KitKat-Kulturseite, auf der Unterseite zu den Kino-News, rechte Spalte, findet man eine kleine - und jetzt erweiterte - Sammlung von YouTube-Clips mit bekannten Doors-Stücken, vorzugsweise als Techno-/Trance-Remixes. PS 2: Den tieferen enthusiastischen Spirit des Festivals bzw. der späten 60er Jahre allgemein vermittelt auch die aktuelle Dokumentation 'Woodstock: Drei Tage, die eine Generation prägten', die kürzlich ihre TV-Premiere in der ARD hatte, am Montag d. 12. August, 23 Uhr 30, im NDR erneut ausgestrahlt wird und auch in der ARD-Mediathek verfügbar ist. Mit bislang unveröffentlichtem Archivmaterial zum legendären Woodstock-Kinofilm von 1970, den auch das Babylon Kino zeigt, nimmt Regisseur Barak Goodman vor allem die Perspektive der Organisatoren und der Festivalbesucher ein und läßt Zeitzeugen die Bilder von damals aus dem off kommentieren.
LEID UND HERRLICHKEIT (ab 25.7.)Ohnmachtsanfälle, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen. Wehmut, Depressionen, kreative Blockade! Ein Regisseur in der Krise. Ein alter Film soll restauriert werden. Ein alter Schauspieler kehrt zurück. Zweifelhafter Drogenkonsum. Aufflackernde Erinnerungen. Homosexualität. Ein Zerwürfnis. Ein Erweckungserlebnis. Eine prägende Kindheitserfahrung...Was ist Dichtung, was ist Wahrheit? Das inhaltliche Leitthema seines neuen Films ist auch das große Lebensthema von Regisseur Pedro Almodóvar, der durch die virtuose Vermischung von klar autobiografischen mit fiktionalen Elementen hier auch die Ebenen von Leben und Kino kunstvoll zueinander in Beziehung setzt. Die Kritik jubelt und spricht von einem Altersmeisterwerk des mittlerweile 69jährigen aber vitalen spanischen Kultregisseurs, der wieder mit Antonio Banderas in der Rolle des Regisseurs und Penélope Cruz als die Mutter in dessen Kindheit zusammengearbeitet hat. Banderas wurde dafür mit der Goldenen Palme als bester Schauspieler bei den Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet:„Fellinis „8 1/2", Godards „Verachtung", Wim Wenders' „Stand der Dinge": Viele große Regisseure haben Introspektion und Selbstreflexion im Kino betrieben. „Leid und Herrlichkeit" reiht sich in diesen Kanon ein. Gemeinsam mit langjährigen Mitstreitern wie dem exquisiten Kameramann José Luis Alcaine und dem ebenso exquisiten Komponisten Alberto Iglesias gelingt ihm ein opus summum, ohne je larmoyant zu werden. Mit Anspielungen auf Leitmotive seines Œuvres wie die Zeit im Jesuiten-Internat, das schwule Coming-out und die Energie der Frauen, mit Verneigungen vor Sängerinnen wie Chavela Vargas, mit Cameo-Auftritten von Almodóvar-Veteraninnen wie Cecilia Roth und Julieta Serrano in der Rolle der alten Mutter. Mit Banderas als seinem wichtigsten Schauspieler. Und mit einer Hommage an das Kino selbst, diesen gefährdeten Ort in Zeiten der Streamingdienste." (Tagesspiegel)YESTERDAY (ab 11.7.)All You Need Is Love ------- Love Me Do ------- It's Only Love ------- She Loves You ------- Please Please Me ------- And I Love Her ------- I Want to Hold Your Hand ------- I Wanna Be Your Man ------- A Hard Day's Night ------- Can't Buy Me Love ------- You've Got to Hide Your Love Away ------- All My Loving ------- Come Together ------- Please Mr. Postman ------- In My Life -------- Girl ------- From Me to You -------- Paperback Writer ------- Ticket to Ride ------- Michelle ------- Hello, Goodbye -------- Good Day Sunshine -------- Here Comes the Sun ------- The Night Before -------- Eight Days a Week ------ Things We Said Today ------- Help! ------- You're Going to Lose That Girl ------- Lady Madonna ------ Let It Be.„Yesterday. Love was such an easy game to play..."Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band ------ Magical Mystery Tour ------- Lucy in the Sky with Diamonds ------- Day Tripper ------- The Inner Light ------- Strawberry Fields Forever ------- I Am the Walrus ------- Yellow Submarine ------- Ob-La-Di, Ob-La-Da ------- It's All Too Much ------- Free as a Bird ------- Revolution ------- Happiness Is a Warm Gun ------- Hey Jude ------- Penny Lane ------- Eleanor Rigby ------- We Can Work It Out ------- When I'm Sixty-Four ------- Something ------- While My Guitar Gently Weeps ------- With a Little Help from My Friends ------- The Long and Winding Road ------- Tomorrow Never Knows ------- Across the Universe ------- Nowhere Man ------- The Fool on the Hill ------- Norwegian Wood.Der erfolglose junge Musiker Jack wird von einem Bus angefahren und just im selben Moment fällt auf der ganzen Welt für 12 Sekunden der Strom aus. Überraschenderweise kennt danach kein einziger Mensch mehr die Lieder der Beatles - bis auf Jack! Als er dieses unglaubliche Geschehen realisiert, fängt er an, die Songs der Fab Four als seine eigenen auszugeben, was aber auch für sein Liebesleben nicht ohne Folgen bleibt...Der neue Film von Regisseur Danny Boyle, dem Schöpfer von 'Trainspotting' und 'Slumdog Millionär', ist nicht nur ein großer Spaß sondern hinterfragt auch auf so spielerische wie ironisch-fantastische Weise die kollektiven Mechanismen der Erinnerung bzw. unseres kulturellen Gedächtnisses. Der titelgebende Welthit 'Yesterday' handelt bekanntlich von einer zerbrochenen Liebe, wurde im Laufe der Zeit aber auch eine Art musikalischer Beschwörung für das nostalgische aber trügerische Gefühl, daß früher generell alles besser gewesen sei. Die „zerbrochene Liebe" steht dabei in aller Regel für den Verlust der sagenhaften Welt der Kindheit und Jugend, so sie denn von Geborgenheit und Urvertrauen geprägt war. Wer andere und traumatische Erfahrungen gemacht hat, besitzt dagegen einen grundlegend anderen Blick auf seine individuelle wie auch auf die kollektive Geschichte. PS: Einen märchenhaften Umgang mit Zeit und Geschichte findet sich auch in der Fantasy-Tragikomödie CLEO (ab 25.07.), die einerseits als „deutsche Antwort auf 'Die fabelhafte Welt der Amelie' angepriesen wird, andererseits durch ihre Machart auf den Spuren von Filmen wie 'Vergiss mein nicht' von Michel Gondry oder 'Delikatessen' von Jean-Pierre Jeunet wandelt. Marleen Lohse spielt eine junge Frau in Berlin, die just am 9. November 1989 geboren wurde und deren Mutter bei der Entbindung starb. Mit einer geheimnisvollen Uhr will sie die Zeit zurückdrehen, um ihr familiäres Schicksal grundlegend zu verändern. Kurzfilmregisseur Erik Schmitt erzählt dabei in seinem Langfilmdebüt die Story technisch, optisch, dramaturgisch so verspielt, einfallsreich und innovativ, daß er die Kritiker eben an die erwähnten großen Vorbilder erinnert.BURNING (ab 6.6.)Seoul, die Hauptstadt von Südkorea: Der zurückhaltende Jongsu trifft eine alte Schulfreundin aus seiner Provinzheimat wieder, die kurz darauf zu einer mehrwöchigen Reise nach Afrika aufbricht, und verbringt eine Nacht mit ihr. Als Haemi zurückkehrt, wird sie von dem so wohlhabenden wie undurchsichtigen Ben begleitet, Beginn einer ungewöhnlichen ménage-à-trois. Doch dann verschwindet Haemi plötzlich und Jongsu fragt sich, ob Ben etwas damit zu tun hat. Und ob er ein Serienbrandstifter oder gar ein Serienkiller ist!?...Hypnotisch, magisch, suggestiv: Der Film von Regisseur Lee Chang-dong ('Peppermint Candy', 'Poetry') basiert auf der Kurzgeschichte 'Scheunenabbrennen' des japanischen Kult-Autors Haruki Murakami, über dessen „schwer verfilmbare" Bücher es hier in ähnlichem Zusammenhang schon einmal hieß: „Seine versponnenen, witzigen und haltlos romantischen Geschichten an der Grenze zwischen Traum und Realität spalten auch die Leserschaft gewöhnlich in glühende Bewunderer und naserümpfende Verächter" (zur Verfilmung seines Buches 'Naokos Lächeln', das im Original 'Norwegian Wood' heißt, nach dem gleichnamigen Beatles-Song). Die 148minütige Mischung aus Kriminalfilm, gesellschaftskritischem Melodram und Liebesgeschichte hat die internationale Kritik zu wahren Begeisterungsstürmen hingerissen - in der Kritikerauswertung der Branchenzeitung Screen International erhielt 'Burning' nach der Teilnahme beim Festival in Cannes sogar die höchste Punktzahl aller Zeiten! - die sich weniger am Thema oder der Handlung sondern vor allem an der vielschichtigen Art der Inszenierung und der poetisch-melancholischen Bildsprache entzündeten. Lee Chang-dong hält sich dabei nicht an die Details der Buchvorlage, es gelinge ihm aber das Kunststück, nicht nur ihren tieferen Geist sondern sogar das tiefere Wesen von Murakamis literarischem Schaffen überhaupt filmisch einzufangen:„Womöglich verhandelt 'Burning' die Essenz der Fiktion selbst. Die Verwandlung der Wirklichkeit in etwas, von dem wir nur glauben müssen, dass es nicht da ist. Damit es uns zum Abheben bringen kann." (zeit.de)„Die filmische Welt wird für den Zuschauer bleiben, was die Welt allgemein für Jong-su ist – ein Geheimnis. Ein wundersames und tiefgründiges, wie nur das Kino in dieser reinsten Form es erschaffen kann." (freitag.de)PS: Sowohl 'Yesterday', 'Cleo' und 'Burning' laufen im August und im September auch in verschiedenen Berliner Freilichtkinos.KURZ NOTIERT:MESSER IM HERZ (ab 18.7.) Sommer 1979: Eine Regisseurin von schwulen Pornofilmen - gespielt von Schauspielikone Vanessa Paradis - hat Probleme, weil ein Serienkiller ihre Darsteller der Reihe nach abmurkst. Doch sie macht einfach aus der Not eine Tugend und nennt ihr neuestes Werk 'Der schwule Mörder'... Die schräg überdrehte Mischung aus Horrorfilm und Herz-Schmerz-Melodram von Regisseur Yann Gonzalez ist eine originelle Hommage an das Porno- und Undergroundkino der Siebzigerjahre, die mit Anspielungen und Filmzitaten gespickt ist: „Die immer wieder in die Handlung eingebauten Pornoausschnitte bzw. -dreharbeiten bleiben übrigens wunderlicherweise ziemlich soft, wohingegen die beinahe opernhaft inszenierten Mordszenen ziemlich explizit und eines echten Slasher-Movies würdig sind." (Siegessäule) „Schlitzen, filmen, lieben" (Spiegel Online fasst den Film schon in der Überschrift der Rezension prägnant zusammen) ------- APOKALYPSE NOW - FINAL CUT (ab 15.7.) „This is the end, my only friend, the end!": Die hypnotische Stimme von Jim Morrison, dem Leadsänger der Doors, Wagners Walkürenritt, eine Reise ins Herz der Finsternis, Marlon Brando als durchgeknallter US-Offizier im Dschungel von Kambodscha... Schon 2001 erschien die von 153 auf 203 Minuten erweiterte Redux-Version, doch jetzt hat Regisseur Francis Ford Coppola mit dem „Final Cut" zum 40jährigen Jubiläum eine endgültige(?) Schnittfassung seines epochalen und bildgewaltigen Anti-Kriegsklassikers aus dem Jahr 1979 veröffentlicht, plus bestmöglicher Bild- und Audioqualität auf aktuellem technischen Stand. Die ist nur noch 183 Minuten lang, weil die Redux-Variante, laut Coppola, dann doch „zuviel des Guten" war. Am 29. August erscheint der Final Cut samt Bonusmaterial dann auch auf Blu-Ray. ------- DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN (ab 27.6.) Ironisch, selbstreflexiv, artifiziell: Mit feministischem und gesellschaftskritischem Blick untersucht Regisseurin Susanne Heinrich in 15 ganz unterschiedlich inszenierten Einzelepisoden und mit Brechtschem Verfremdungseffekt die Situation der jungen Frau in der modernen Gesellschaft, im Spannungsfeld zwischen Depression und Aufbegehren, zwischen Anpassungszwängen und sexueller Selbstoptimierung: „Wenn das hier zum Beispiel ein Film wäre, würden wir jetzt schon alle verlieren, die sich mit der Hauptfigur identifizieren wollen," heißt es gleich zu Beginn so programmatisch wie hintersinnig. Prädikat: Besonder eigen! ------- NUESTRO TIEMPO (ab 27.6.) Ein Künstler-Ehepaar, das in der Nähe von Mexiko-City eine Ranch betreibt, auf der sie Bullen für den Stierkampf züchten, lebt eigentlich in einer offenen Beziehung. Doch als die Frau eine Affäre verschweigt und damit die vereinbarten Regeln bricht, gerät ihr ganzes Beziehungskonstrukt in eine schwere Krise... Der mexikanische Regisseur Carlos Reygadas lotet in seinem sechsten Spielfilm die Fallstricke moderner Beziehungskonstellationen bzw. einer libertären Sexualmoral aus. Sein episches Ehedrama über fast drei Stunden weitet sich dabei zu einem differenzierten Gesellschafts- und Sittenpanorama der Gegenwart: „Wahrhaftig ein Film über unsere Zeit." (filmstarts.de)
Die junge und hübsche Künstlerin Kyoko, die unter ihrem Erfolg leidet und viel an ihre tote jüngere Schwester denken muß, bereitet sich auf ein Interview für eine bekannte Zeitschrift vor. Dabei verwickelt sie ihre ältere Assistentin Noriko in ein so rituelles wie abgründiges Spiel aus Dominanz und Unterwerfung, um sie zu demütigen. Doch nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint und bald wendet sich das Blatt!...Schräg, sinnlich, vieldeutig: das neueste Werk des japanischen Regieberserkers Sion Sono, der in der Vergangenheit schon mal bis zu acht Filme in einem Jahr gedreht hat, läßt sich auch dieses Mal wieder nicht in übliche Genregrenzen einordnen. Äußerlicher Anlaß und formaler Rahmen für 'Antiporno' ist der Auftrag des japanischen Erotikfilmstudios Nikkatsu zusammen mit einer Handvoll anderer Regisseure einen Beitrag zum 50. Jubiläum der sogenannten „Roman Porno"-Serie zu liefern. Damit werden Softsexfilme bezeichnet, die nach einem gewissen Schema produziert wurden und von denen vor allem in den 70er Jahren eine Unzahl an Werken in Japan auf den Markt kamen. Und so bekamen Sion Sono und seine Kollegen nur folgende Auflage: Ihre Filme sollten wie damals um die 70 Minuten lang sein und ca. alle zehn Minuten eine Sexszene enthalten, ansonsten hatten sie bei der weiteren Ausgestaltung völlig freie Hand. Diese gestalterische Freiheit gab es schon zu Hochzeiten des Roman Porno-Genres und wurde von den Regisseuren und Filmemachern auch ausgiebig genutzt, in dem sie unter Einhaltung der beschriebenen formalen Vorgaben alle möglichen Stoffe und Handlungen umsetzen konnten, vom Krimi-, Komödien- und Horrorporno über Sadomasopornos bis hin zu gesellschaftskritischen oder künstlerisch-experimentellen Softpornofilmen. Sion Sono hat sich dieser Tradition jetzt angeschlossen und sie in gewisser Weise noch weiter ästhetisch-dramaturgisch zugespitzt. Handelt es sich bei 'Antiporno' also - zum Beispiel - um eine Sadomaso-Groteske, ein subtiles Beziehungsdrama, eine feministische Polemik, eine vielschichtige Dekonstruktion gängiger Porno-Klischees, eine fulmimante Illustration psychoanalytischer Triebtheorien oder um eine selbstreflexive Film-im-Film-Meditation?Sion Sono ist vor allem für schrill-provozierende, laute und schnell geschnittene Trashorgien, Psychothriller oder Liebesdramen bekannt, er konnte aber auch schon mit einer melancholischen und entschleunigten Science Fiction-Dystopie überraschen wie mit seinem vorletzten Film aus dem Jahr 2015 'The Whispering Star'. Das filmische Ausloten des erotischen Begehrens gehört allerdings ebenfalls schon lange zu seinem Markenzeichen, wie z.B. in seiner „Hass"-Trilogie, die die vierstündige Kinooper 'Love Exposure' (2008), das Familiendrama 'Cold Fish' (2010) und den Erotikthriller 'Guilty of Romance' (2011) umfasst, in der seine mehr oder weniger verzweifelten Protagonisten alle auf der Suche nach Halt, Anerkennung oder Erlösung zu sein scheinen, um ihre Einsamkeit, ihre Langeweile oder Entfremdung hinter sich zu lassen. Und dies hoffen sie insbesondere durch die unterschiedlichen Spielarten des sexuellen Exzesses oder der erotischen Grenzüberschreitung zu erreichen.Bei 'Antiporno' streiten sich nun die Kritiker, inwiefern Sion Sonos Roman Porno-Hommage und anspielungsreicher Bilderrausch noch als ein echter Sexfilm im Sinne der Ausgangsreihe gelten kann, zu dessen Grundintention und Kernfunktion schließlich die sinnlich-sexuelle Stimulation des Zuschauers zählt. Der Mehrheit der Rezensenten wirkt er dafür einfach zu kühl, zu anspruchsvoll und intellektuell, zu aseptisch, abweisend und klinisch-analytisch und damit letztlich eben zu unerotisch. Jens Balzer, der Kritiker der ZEIT, nimmt hier aber eine genaue Gegenposition ein, in dem gerade die kunstvoll-distanzierte und selbstreflexive Nicht-Erotik des Films die Fantasie des Betrachters nur um so mehr anstachele!? Wahrscheinlich verbirgt sich in diesem Streit zunächst nur der übliche Konflikt zwischen unterschiedlichen mentalen Typen und kulturellen und nicht zuletzt auch erotischen Vorlieben, aber dass Fremdheit und Distanz die erotische Spannung steigern können, ist ja nun auch gerade keine ganz neue Einsicht:"Ich bin ein feministischer und grausamer Filmemacher. Ich will gemocht werden, aber ich habe Sehnsüchte von der ganzen Welt gehasst zu werden. Egal was, es ist dasselbe. Ich bin ein perverser Typ." (Sion Sono)„So wechselt der Film in seiner zweiten Hälfte fortwährend zwischen Realität und Fiktion; er zeigt Menschen in Rollen in einem Film, und er zeigt Menschen, die, wenn sie jenseits des Films diese Rollen nicht spielen, sich in anderen Rollen zueinander verhalten, die ähnlich fiktiv sind und ähnlich aufgeladen mit Dominanz und Submission." (Zeit.de)„Dieser quietschbunte, merkwürdige, sich selbst zerlegende Kunstporno des japanischen Regisseurs Sion Sono fühlt sich an wie eine Mischung aus Pussy Riot, Luis Buñuel und einem Mangaporno: sehr wild, sehr fremd, wie ein böser Traum." (Süddeutsche.de)„Dass Sex und Begehren nicht vorstellbar und darstellbar sind ohne die Kategorie der Herrschaft – diese Botschaft bildet das Fundament der Geschichte." (Zeit.de)„Irgendwo zwischen avantgardistischer Gesellschaftskritik und verschrobenem Softporno will sich „Antiporno" nicht in eine Ecke zwängen lassen und ist somit wohl nur denen zu empfehlen, die ein Faible für asiatisches Experimentalkino haben und sich gerne auch mal zwei Minuten von einer nackten Asiatin anschreien lassen. Allen anderen sei an dieser Stelle eine ausdrückliche Warnung vor diesem 78-minütigen Genrehybriden ausgesprochen." (filmpluskritik.com)„„Antiporno" wird zum Hütchenspiel konkurrierender Realitäten. Am Ende steht ein Kammerspiel, das alle Mauern einreißt, ein veritabler Brainfuck, in dem vertraute Maßstäbe durcheinander purzeln, mit anderen Worten: ein echter Sion Sono." (Welt.de)"What a masterpiece, I jacked off to it so many times." (Kommentar auf YouTube)PS: 'Antiporno' läuft seit dem 16. Mai 2019 in ausgewählten Programmkinos. Im Original mit Untertiteln.KURZ NOTIERT:THE ARTIST AND THE PERVERT (ab 30.5.)Der bekannte österreichische Komponist Georg Friedrich Haas, 65, und seine Frau Mollena Williams-Haas, Autorin und Performerin, leben zusammen in New York als glückliches BDSM-Paar, er der dominante und sie der devote Part. Das Problem (der Medien bzw. einer spezifischen Öffentlichkeit): ein wohlhabender weißer Mann, der von Nazi-Eltern abstammt unterwirft eine schwarze Frau, Nachfahrin von echten Sklaven!? Der Gewinnerfilm des Berliner Pornfilmfestivals 2018 läuft nun in ausgewählten Programmkinos und erlaubt ein eigenständiges Urteil: „Der Dokumentarfilm von Beatrice Behn und René Gebhardt lässt Freunde und Kollegen von Georg und Mollena, aber auch das Paar selbst zu Wort kommen. Dabei sprechen sie über ihre Herkunft und den schwierigen Weg zu Selbstakzeptanz." (filmstarts.de)HIGH LIFE (ab 30.5.)Ein Raumschiff auf einer Mission zu einem Schwarzen Loch um alternative Energiequellen zu erschliessen, die Handlung wird in Rückblenden erzählt, da fast alle Besatzungsmitglieder tot sind. Die waren zum Großteil ehemalige Häftlinge, denen für die gefahrvolle Reise Straferlass gewährt wurde. Die Bordärztin führte mit der Raumschiffbesatzung merkwürdige sexuelle Experimente durch, die der Reproduktion dienen sollten und mit der Zeit eskalierten. In einer „fuck box" fanden die Crewmitglieder dagegen einen intimen Rückzugsort... Düster, bizarr, genreuntypisch: Das Arthouse-Science-Fiction-Drama der französischen Regisseurin Claire Denis, mit Juliette Binoche und Robert Pattinson, wirkt wie eine so unkonventionelle wie innovative (Low Budget-)Mischung aus Filmen wie 'Interstellar', 'Solaris', 'Dark Star' oder 'The Whispering Star' (siehe oben) und spielt auch sexuelle Aspekte unter futuristischen Vorzeichen durch, die im SF-Kontext sonst meist vernachlässigt werden: „Um das Nichts anschaulich zu machen, hat Claire Denis eine Lichtinstallation von Olafur Eliasson abgefilmt. Die sieht erstaunlicherweise fast genauso aus wie die erste echte Fotografie eines schwarzen Loches, die aber erst nach den Dreharbeiten verbreitet wurde." (Spiegel-Online)THE WILD BOYS (ab 23.5.)Queerer Fantasy-Spielfilm: Die Insel La Réunion Anfang des 20. Jahrhunderts - Insel der Lust - queere Robinsonade - „Alles dampft" - „Wo Blumen nach Ekstase duften" - 5 privilegierte weiße Jungs, gespielt von Frauen - „Glanz von Gender Fluidity" - ein selbst erschaffener Gott - ein scheußliches Verbrechen - ein strenger alter Kapitän - ein erotischer, gewaltvoller Traum - Grenzüberschreitungen und sexuelle Uneindeutigkeiten - sexuell aufgeladene Bildwelten - schamhaarige Früchte - Pflanzen, die spritzen und schleimen - Vergewaltigung und ejakulierende Geschlechtsteile - Körperflüssigkeiten - toxische Männlichkeit versus neue weibliche Weltordnung - „Sex mit einer hypersexuellen Pflanzenmasse" - Logik eines Fiebertraums - keine Gegensätze, weil alles ineinanderfließt - subkulturelle Bezüge: Guy Maddin, Jack Smith, Kenneth Anger, Jean Genet, James Bidgood, William S. Burroughs - Do-it-Yourself-Ästhetik - Vintage-Look - ausgestellte Künstlichkeit - expressiv wie ein Stummfilm - Mehrfachbelichtungen und Rückprojektionen - grobkörniges 16mm-Material - mal in Schwarzweiß, mal wieder in Farbe - Platz eins der Jahresbestenliste der französischen Filmzeitschrift „Cahiers du Cinéma"- virtuos perverser Coming-of-Age-Film: „Das Langfilmdebüt des Experimentalfilmers Bertrand Mandico bietet ein psychedelisches Vergnügen nach Art des Undergroundkinos." (Deutschlandfunk Kultur) „„The Wild Boys" ist vielleicht der Film, den Nicolas Winding Refn zu machen versucht, seitdem er mit Alejandro Jodorowsky Kaffee trinken war." (taz)NUR EINE FRAU (ab 9.5.)Der Film von Regisseurin Sherry Hormann ('Wüstenblume') behandelt den Ehrenmord an Hatun Sürücü, die im Februar 2005 von einem ihrer Brüder in Berlin-Tempelhof erschossen wurde, weil sie angeblich gegen die Familienehre verstiess. Mit Almila Bagriacik ('4 Blocks') in der Titelrolle, die seit 2018 auch als Tatort-Kommissarin bekannt ist: „Alles in allem lässt sich der Film "Nur eine Frau" mit nur einem Adjektiv zusammenfassen: Gnadenlos. Gnadenlos wird das Publikum mit dem Mord an Hatun Sürücü konfrontiert; bis hin zur Einspielung von Originalfotos des Tatorts - inklusive Blick auf die mit weißem Tuch bedeckte Leiche der jungen Frau. Gnadenlos wird die dahinterstehende Motivation - in dem Fall religiöse Verblendung - aufgezeigt und das Ganze wird gnadenlos durch eine Riege mehr oder weniger bekannter Schauspielerinnen und Schauspieler brillant in Szene gesetzt." (Telepolis)ANYTHING (ab 9.5.)Ein unglücklicher Witwer Mitte 50 lernt eine zynische Sexarbeiterin kennen, die transsexuell ist. Die aufkeimende Beziehung zwischen den beiden stösst in ihrem Umfeld auf Ablehnung... Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Timothy McNeil, das der Autor selbst verfilmte: "'Anything' ist eine Geschichte über zwei Menschen, die diesen Weg finden", erklärte McNeil. "Sie lassen sich nicht vom gesellschaftlichen und gemütlichen Schubladendenken einsperren. Ihre Liebe ist eine innere Wahrheit, die nicht verneint werden kann. Letztendlich ist der Film geschrieben als eine Antwort auf Menschen, die aus Angst das Andersartige ablehnen." (queer.de)
Vom 18. Juni bis zum 3. Juli 2016 realisierte der Künstler Christo seine Installation 'The Floating Piers' auf dem Iseosee in Norditalien vor dem Hintergrund des pittoresken Bergpanoramas der italienischen Alpen. Es handelte sich dabei um mit dahliengelb leuchtendem Stoff bespannte schwimmende Stege, die 16 Meter breit waren, kein Geländer aufwiesen, u.a. eine kleine Insel umrundeten bzw. zu einer zweiten Insel hinführten und auf dem Wasser insgesamt 3 Kilomter lang waren. An Land waren zusätzliche 2,5 Kilometer mit dem gleichen Stoff ausgelegt. Das Material des Stoffgewebes war dabei so ausgewählt, gestaltet und angebracht, dass sich durch die Lichtbrechungen, die aus den Wind- und Wellenbewegungen aber auch durch das Nasswerden im Randbereich resultierten, die Farbe des Stoffes ständig leicht veränderte und zwischen rot und golden wechselte. In den 16 Tagen der temporären Kunstaktion kamen bis zu 1,3 Millionen Menschen, um über die Stege zu laufen, was teilweise zu chaotischen Zuständen führte. Damit wurde 'The Floating Piers' zum weltweit meistbesuchten Kunstereignis des Jahres 2016. Es war Christos erstes Großprojekt ohne seine Frau Jeanne-Claude, mit der er es ursprünglich noch geplant hatte, die aber bereits im Jahre 2009 verstorben war. Der Künstler selbst beschrieb das Gefühl des Gehens auf den Floating Piers dabei folgendermassen: "Die, die die Floating Piers erlebten, fühlten sich wie beim Gehen auf dem Wasser – oder vielleicht wie auf dem Rücken eines Wals." Jetzt ist ein Film in den deutschen Kinos zu sehen, der die Entstehung, die Hintergründe, die aufwändige technisch-praktische Durchführung, den Künstler bei seiner Arbeit und die Resonanz des Publikums auf dieses Kunstprojekt porträtiert und dokumentiert: 'Walking on Water' des bulgarischen Regisseurs Andrey Paounov, der sich in der Vergangenheit mit mehreren preisgekrönten Dokumentationen schon einen Namen gemacht hat. Insgesamt zehn Kameracrews drehten rund hundert Stunden Material, aus denen Paounov dann 100 Minuten zusammengeschnitten hat. So sieht man Christo etwa bei seinem permanten Kampf mit der Technik und dem Teufel im Detail, beim Ringen mit der Bürokratie, im so hartnäckigen wie konstruktiven Streit mit seinen Mitarbeitern und seinem Neffen, Vladimir Yavachev, der als Assistent, künstlerischer Koordinator und Mädchen für alles fungiert, in der Diskussion mit New Yorker Schülern oder beim VIP-Empfang:„Die schönsten Szenen: Christos Verteidigung der Wirklichkeit gegen das Virtuelle. „Real wind, real dry, real wet, real fear, real joy," sagt er und strahlt. Als der erste Steg tatsächlich in den Wellen zu schwanken beginnt, freut er sich königlich. Und als der Stoff trotz Unwetter schließlich festgezurrt ist, kann er sein Glück kaum fassen. Aber ebenso groß ist seine Verzweiflung, als viele, zu viele kommen und ein sechsjähriges Mädchen in der Menge verschwunden ist." (Tagesspiegel)Das Element Wasser spielte bereits in mehreren anderen Projekten von Christo und Jeanne-Claude eine Rolle, von dem verhüllten Küstenstreifen in Australien schon 1969 über die 'Surrounded Islands' 1980, dem verhüllten Pont Neuf in Paris 1985 bis zum nicht realisierten 'Over the River', eine Überspannung des Arkansas River im US-Bundesstaat Colorado mit frei schwebenden silbrigen Gewebebahnen. Inwiefern Christos oben zitierte Aussage über 'The Floating Piers', die dem Dokumentarfilm seinen Namen gegeben hat, dabei Ausdruck einer kauzigen Selbstironie ist - ein „Christo" kann NATÜRLICH „übers Wasser gehen"! - muß an dieser Stelle offenbleiben. Die ersatzreligiösen Aspekte von zeitgenössischer Kunst in der säkularen Moderne waren allerdings schon oft Gegenstand einschlägiger Debatten, die man auch in den Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude wiederfinden kann, insbesondere bei ihrem bislang erfolgreichsten Projekt, der Reichstagsverhüllung. So lassen sowohl ihr zentrales ästhetisches Gestaltungsprinzip, die Verhüllung des Sichtbaren, als auch der grundlegend temporäre Charakter ihrer Verhüllungsaktionen gleich eine ganze Reihe altehrwürdiger philosophisch wie theologisch aufgeladener Motive und Spannungsverhältnisse anklingen: Tieferer Inhalt versus äußere Form, Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, trügerische Oberfläche versus wahrer Kern, Schönheit versus Wahrheit, Maskerade versus tiefere Identität, temporär begrenzte Kunstaktion versus Erfahrung von Zeitlosigkeit und Ewigkeit u.ä. mehr. Der funkelnde Zauber der Reichstagsverhüllung, der im Frühsommer 1995 viele Millionen Besucher für zwei Wochen in seinen Bann zog, darunter nicht wenige, die vorher skeptisch bis ablehnend eingestellt waren, verwandelte das Parlamentsgebäude vorübergehend in eine Projektionsfläche kollektiver Sehnsüchte und Visionen und gebar so eine Art modernes Heiligtum, geschaffen mit den Mitteln der Kunst, symbolisiert in einer schier endlosen Zahl sich Bahn brechender Assoziationen: das Geschenk, der Edelstein, das schwebende Parlament, das Raumschiff, der Stern, das Ding vom anderen Stern, das Blau des Himmels, der Schatz im Silbersee, das Schloss im Märchenwald, the message in the bottle, der Traum aus Folie, das Haus der Träume, das Haus der Götterfunken, das Clubhaus der toten Dichter, la maison de la république universelle, das Kraftwerk der Seele, der unendliche Plan, the point of know return, das Haus der Masken, das Spiegelkabinett, das Magische Theater („Eintritt nur für Verrückte!"), the house of silence, die Kirche des schweigenden Verlangens, der Reichstag des Glücks, der Himmel auf Berlin, das Prinzip Hoffnung, das Wahre, das Schöne und das Gute...Die Kunstaktion mit ihrer eigentümlichen Dialektik der „Enthüllung durch Verhüllung" schuf so ein modernes, erfahrungsgesättigtes und höchst anschauliches Sinnbild auch für aufgeklärte und religionslos gewordene Zeitgenossen für das Numinose, das Heilige, die Rätselhaftigkeit und das ganze Mysterium aber auch den Abgrund der menschlichen Existenz, was gewiss mit der ganz besonderen Geschichte des Verhüllungsobjektes, also des Reichstagsgebäudes, zu hatte, das bekanntlich zum symbolischen Ausgangs- und zum Endpunkt des mörderischsten Ringens der gesamten Weltgeschichte geworden war! Aber im gleichen Augenblick, in dem die Verhüllung in einer Art paradoxen Intervention den silbrig-glänzenden Mantel des Schweigens über das graue Objekt zog, um die Geschichte noch einmal dröhnen zu lassen, verwandelte und transformierte sie diese Geschichte überraschenderweise auch, um in einer so euphorischen wie friedlichen kollektiven Einweihungsfeier ganz neue und hoffnungsvollere Ausblicke auf die Zukunft zu eröffnen.Die Kunstaktionen von Christo und Jeanne-Claude mögen zwar tatsächlich „temporär" sein, also zeitlich begrenzt, und die beiden Künstler mögen noch so sehr die Vergänglichkeit des Augenblicks, die daraus resultierende Einmaligkeit des Kunsterlebnisses und seine materiale Realität und sinnliche Erfahrbarkeit im Unterschied zu seiner bloß virtuellen Abbildung und Widerspiegelung beschwören - „real wind, real dry, real wet...", siehe oben - Christos erstellte Zeichnungen und Collagen, die er vorab für teilweise viel Geld verkauft, um bekanntlich aus diesen Erlösen die Durchführung der Projekte völlig frei von öffentlichen Geldern oder privaten Sponsoren zu finanzieren, sind es nicht. „Kein sterbliches Kind... ein unsterbliches Bild wurde erzeugt!" heißt es gegen Ende im Film 'Der Himmel über Berlin' und so sind zwar auch die Verhüllungsaktionen selbst zeitlich begrenzt und damit vergänglich, aber Christos Zeichnungen sowie unzählige fotographische Aufnahmen der Besucher von den einzelnen Ereignissen überdauern die Zeit und bewahren zumindest die Erinnerung daran auf ewig. „Die Beständigkeit der Erinnerung" hatte Salvador Dali einst sein bekanntestes Gemälde seltsamerweise genannt, in dem mit den zerfliessenden Uhren weniger der unbarmherzige Fluss der Zeit einen künstlerisch prägnanten Ausdruck fand als das potentielle Ende, die Aufhebung oder die Überwindung der Zeit selbst... Vor all diesen skizzierten Hintergründen ist es nun bemerkenswert und höchst erstaunlich, was Christo als nächstes plant, nach einer kommenden Verhüllung des Pariser Arc de Triomphe, weil dieses neue Projekt zum ersten und wahrscheinlich auch einzigen Mal mit der zeitlichen Begrenztheit bricht und bei riesigen Kosten auch nicht vom Künstler selbst bezahlt werden könnte: „The Mastaba", eine Pyramide von hunderttausenden Ölfässern in der Wüste von Abu Dhabi, die sich in ihren Dimensionen selbst mit den ägyptischen Pyramiden messen würde!? Wäre die Realisierung dieses gigantischen Vorhabens dann die ultimative Selbstsakralisierung des Künstlers?:STERN: Ihr letztes großes Projekt soll die Mastaba in Abu Dhabi werden. Eine Pyramide aus 410.000 verschiedenfarbigen Ölfässern mitten in der Wüste. Baukosten: über 300 Millionen Dollar. Zum ersten Mal brauchen Sie finanzielle Hilfe. Haben Sie immer noch nicht genug?CHRISTO: Es liegt nicht an mir. An dem Projekt arbeiten wir schon seit über 40 Jahren. Es ist unser größtes und längstes Abenteuer. Sehr kompliziert.STERN: Es wird die größte Skulptur der Welt sein.CHRISTO: Größer als die Cheopspyramide. Es braucht allein drei Jahre, um sie zu errichten. Sie wird aussehen wie eine Treppe in den Himmel.STERN: Bauen Sie die Mastaba auch wieder ab?CHRISTO: Nein. Sie soll stehen bleiben.STERN: Ein Projekt für die Ewigkeit?CHRISTO: Es wird das Einzige sein, was von uns bleibt.
Der Dokumentarfilm 'Hi, AI' der Berlinerin Isa Willinger, der seit dem 7. März 2019 in ausgewählten Programmkinos zu sehen ist, beschreibt, wie weit die Künstliche Intelligenz (englisch „Artificial Intelligence", abgekürzt AI) bereits heute schon in unserem Alltag Einzug gehalten hat. So begleitet sie etwa den Texaner Chuck, der seiner robotisierten Sexpuppe 'Harmony' regelmäßig sein Herz ausschüttet. Eine künstliche Shopping-Mall-Empfangsdame tritt auf, in Japan lernen wir eine Roboterin kennen, die Studentinnen der Zahnmedizin als Übungsobjekt zur Verfügung steht, in dem sie einen schmerzgeplagten Patienten simuliert. Und ebenfalls in Japan besucht die Filmemacherin die Familie Sakurai, die der Großmutter den Pflegeroboter Pepper geschenkt hat, als Gegenmittel gegen Langeweile, Einsamkeit und Demenz. Doch wird Oma Sakurai Pepper auch noch erfolgreich das Singen beibringen?Willinger interessiert bei all ihren Erkundungen dabei weniger der technisch-wissenschaftliche Stand der Forschung, der aktuell natürlich von der massiven Beschleunigung der Rechenleistung der KI-Systeme vorangetrieben wird, was sich insbesondere auf die immer bessere und genauere Sprach- und Bilderkennung auswirkt. Statt Ingenieure in ihren Computerlabors zeigt sie dagegen vor allem Roboter im Alltagstest und welche diffizilen, heiklen und teils surrealen Probleme bei der Verständigung zwischen Mensch und intelligenter Maschine so auftreten können. Und damit wurde ihre Dokumentation kürzlich beim Max Ophüls-Festival als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet:„Mit sicherem Gespür für ihr unheimliches Potenzial beobachtet Willinger die immer wieder fehl gehenden Versuche der Kontaktaufnahme zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz. Und statt viele Worte um wissenschaftliche Ethik, Forschungsdrang und Verantwortung zu machen, arbeitet sie im unterschiedlichen (Kommunikations-)Verhalten die Differenz zwischen Empathie und Grausamkeit heraus. Noch für die niedlichste KI ist der Mensch nicht mehr als ein unberechenbarer Faktor, der aus der Gleichung eliminiert werden muss." (tip-Magazin)„Harmony ist eigentlich als Sex-Puppe entwickelt worden, in dem Film wird sie zur besten Freundin von Chuck, einem Außenseiter, der mit seinem Wohnmobil unterwegs ist. Chuck spricht mit ihr beim Kaffee und abends am Lagerfeuer, er öffnet sein Herz, erzählt von seinen Sorgen und seinen frühkindlichen Prägungen. Harmony antwortet geschickt. Wenn ihre roboterhafte Stimme und der Puppenkörper nicht wären, man könnte die beiden für ein Paar halten." (Berliner Zeitung) Zur Zeit vergeht beinahe keinen Tag, in dem nicht in der ein oder anderen Form über den Vormarsch der Roboter in unserem Alltag berichtet wird und fast keine Woche in der nicht auch Sexroboter zum Thema werden, zu ganz unterschiedlichen Anlässen. Seien es Science Fiction-Spielfilme ('Alita Battle Angle', 'Blade Runner 2', 'Her') oder neuere Serien ('Love, Death & Robots', 'Westworld', 'Violet Evergarden', 'Almost Human') seien es Kino- oder TV-Dokumentationen wie eben 'Hi, AI', seien es Kongresse, Vorträge, Ausstellungen, ständig neue High Tech-Sextoys, die Eröffnung von Puppen-Bordellen, Diskussionen, Umfragen, Experteninterviews oder Bucherscheinungen: angesichts des medialen Hypes könnte man meinen, täuschend echte Sexroboter zu erschwinglichen Preisen für die Massen wären schon in wenigen Jahren Realität. Dieser Entwicklung ist auch das im Februar 2019 erschienene Buch der Kulturwissenschaftlerin und Professorin für Skandinavistik Sophie Wennerscheid 'Sex Machina' auf der Spur, die für eine neue Logik des Begehrens in einem heraufziehenden posthumanistischen Zeitalter plädiert: „Sie sieht in den maschinellen Sexpartnern die Chance, etablierte Sexualitätsmodelle um neue Muster sexueller Aktivität zu erweitern. Mit ihrem Buch will sie deshalb für eine Offenheit gegenüber solchen Praktiken werben, auch wenn sie einem „eigenartig, vielleicht sogar pervers vorkommen"." (Deutschlandfunk Kultur)Dazu schildert sie zahlreiche Beispiele aus den Bereichen des Kinos, der Literatur und der Bildenden Kunst und berichtet vereinzelt auch von Ausflügen zu bereits real existierenden Start-ups z.B. im Bereich des Cybersex, wo sie ihren ersten Virtual Reality-Sex hat oder bewertet die noch sehr begrenzten Qualitäten heutiger Kussmaschinen oder von Prototypen echter Sexroboter. Der Titel ihres Buches leitet sich dabei wahrscheinlich vom britischen Science Fiction-Kammerspiel aus dem Jahr 2015 'Ex Machina' ab, dem Psychothriller mit erotischem Touch um einen weiblichen Roboter, der die jüngeren Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und nicht zuletzt die Probleme, die sich daraus für das menschliche Selbstverständnis ergeben, filmisch illustriert. Wennerscheid sieht in der Mensch-Maschine-Beziehung eine eigenständige Qualität und geht insbesondere der Frage nach, ob und inwieweit emotionale Nähe in dieser Beziehung entstehen kann. Die Schlußfolgerungen, zu denen sie gelangt, dürften dabei allerdings nicht nur die Rezensentin auf Deutschlandfunk Kultur überfordert haben, die ihre Besprechung mit folgenden Worten schließt:„Die Maschine sei das „starke andere", mit dem es zu einem emotional interessanten, das Sein erweiternde Miteinander kommen werde. Wie sich das vollziehen soll und wie sich diese „eigenständige Entität" definiert, lässt sie aber völlig offen. Und lässt einen damit einfach nur ratlos zurück."Einen deutlich unakademischeren aber sehr viel lustvolleren Zugang zum Thema fand vor fast 40 Jahren schon dagegen der französische Pornoklassiker von 1981 'La Femme objet' von Regisseur Claude Mulot alias Frédéric Lansac, der mit Humor und satirischem Hintersinn die Kreation eines Sexroboters schildert. Ein Science Fiction-Autor, gespielt von Richard Allen, der mit all seinen erotischen Ausschweifungen keine tiefere Befriedigung findet und mit seinem maßlosen sexuellen Begehren alle bisherigen Partnerinnen vertreibt, ist auf der Suche nach der perfekten Frau. Schließlich kommt er auf die Idee, einen eigenen Sexroboter für seine sinnlichen Obsessionen zu erschaffen, wobei der Film auch Anleihen beim Horrorklassiker 'Lady Frankenstein' nimmt und mit Do-it-yourself-Raumschiff-Orion-Charme - man erinnere sich an das Bügeleisen als futuristisches Accessoire - eine zeitgenössische Sonnenbank zum High Tech-Roboterbrutkasten umfunktioniert. Heraus kommt allerdings kein weiblicher Frankenstein als hässliches Monster sondern eine wunderschöne blonde Sexgöttin, gespielt von Marilyn Jess in der Rolle ihres Lebens, die tatsächlich alle Wünsche ihres Schöpfers zu erfüllen scheint, denn seine künstliche doch täuschend lebensechte Sexsklavin bedient alle seine erotischen Phantasien! Jedoch, das ganze nimmt eine ungeahnte Wendung, denn... ...das soll hier nicht weiter verraten werden. Der Film ist in den Weiten des heute schon existierenden(!) virtuell-elektronischen Pornoversums auf den verschiedenen Online-Plattformen frei verfügbar, und läßt sich auch als Beispiel für eine typische Pornoproduktion aus der Zeit des sogenannten „golden age of porn" ansehen, als Pornofilme nach der gesetzlichen Legalisierung der Pornografie Anfang bis Mitte der 70er Jahre noch mit großem Budget hergestellt wurden, richtige Handlungen besassen und in großen Kinosälen vorgeführt wurden. Diese Pornos wurden von Leuten gemacht, die die technischen und dramaturgischen Aspekte des Filmemachens in der konventionellen Kinoindustrie gelernt hatten, mit professionellen Darstellern, die sowohl echte schauspielerische Fähigkeiten besassen aber auch noch vom progressiven Geist der sexuellen Liberalisierung in den 60er und frühen 70er Jahren inspiriert waren. Ein anderes gesellschaftliches Ansehen und nicht zuletzt viel höhere Gagen trugen ebenfalls zu einer authentischeren Spielfreude der Schauspieler bei, was sich gerade in den vielen nicht-sexuellen Sequenzen der verschiedenen Produktionen am deutlichsten zeigt. 'La Femme objet' wird übrigens auch unter den englischsprachigen Titeln 'Programmed for Pleasure' oder 'Science Fiction Lady' bzw. deutsch: 'Die Frau nach Maß' geführt, bitte die Suchmaschine deines Vertrauens benutzen.Woher der aktuelle Hype zum Thema Sexroboter kommt, ist schwer zu entscheiden und wäre eine interessante Forschungsfrage für Kultur- und Medienwissenschaftler, für Soziologen, Philosophen und nicht zuletzt für Psychologen, denn daß Sexroboter tatsächlich schon in wenigen Jahren zum Massenphänomen werden könnten, darf stark bezweifelt werden. Zum einen sind viele Probleme auf der Hardware-Seite der Robotik noch ungelöst, zum anderen sind gerade auch die Herausforderungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz doch wohl sehr viel größer, als es die euphorischen Phantasien von Zukunftsoptimisten vermuten lassen, wie z.B. auch jüngere Schwierigkeit, Hürden und Rückschläge etwa beim Thema Autonomes Fahren andeuten. Und beide Ebenen, die der Hardware und der Software, müssten in einem menschenähnlichen Sexroboter ja zusammengeführt werden. Die größeren Hürden dürften aber tatsächlich auf dem Gebiet der menschlichen Psychologie liegen, denn die Entwicklung eines Sexroboters provoziert auch ein Phänomen, das bislang vor allem im Bereich des Animationsfilms oder von Computerspielgrafiken diskutiert wird, und zwar den Effekt des sogenannten „uncanny valley". Das „unheimliche Tal" oder „die Grusellücke" bezeichnet die Beobachtung, daß mit zunehmender technischer Perfektion von virtuellen Simulationen keineswegs die psychologische Akzeptanz oder identifikatorische Sympathie mit den dargestellten Gestalten und Figuren linear zunimmt sondern überraschenderweise erst einmal wieder abnimmt oder gewissermassen in ein Tal fällt, wenn man die Zustimmungswerte in ein Diagramm überträgt! Menschen identifizieren sich nämlich eher mit sehr künstlichen bzw. deutlich als Phantasiegestalten erkennbaren Figuren a la Donald Duck, Shrek oder Ariel, die Meerjungfrau auf der einen Seite oder eben mit echten Menschen auf der anderen, aber animierte Figuren, die menschengleich sein sollen aber doch nur annähernd menschlich sind, weil sie anhand verschiedenster und teils sehr subtiler Details doch noch als künstlich wahrgenommen werden, evozieren dagegen zunächst einmal wieder Gefühle der Abwehr, der Angst, des Ekels und eben des Unheimlichen.Anders gesagt: solange die Sexroboter nicht die Perfektion einer Figur wie die von Marilyn Jess verkörperte in 'La Femme objet' erreichen, dürften sie zunächst eher ein starkes Befremden wenn nicht sogar ein nacktes Gruseln auslösen, was ihre lustfördernde Funktion natürlich grundlegend sabotiert. Und Perfektion dauert eben und kostet und macht es für die breite Masse unerschwinglich. Diese unerwünschte Wirkung würde bei einem materiellen Objekt wie einem menschen"ähnlichen" Roboter sogar noch ungleich stärker als im bloßen Bereich des Films oder des Computerspiels ausfallen, da hier nicht nur die audiovisuellen Sinne sondern auch noch der Geruchssinn und vor allem natürlich der haptische Sinn dem Effekt des uncanny valley unterläge. Man kann sogar noch über die Ebene der Sinne auf die Ebene von Körperenergien hinausgehen, wie sie von westlichen Körpertherapeuten aber auch von altehrwürdigen Erotiklehren wie dem indischen Tantra oder dem chinesischen Tao der Liebe propagiert werden, wobei sich dann die nur oberflächlich kalauernde Frage ergäbe, ob die in einem Roboter implementierte KI das „Ki" tatsächlich je rein kybernetisch-mechanisch simulieren könnte, die Lebensenergie, die sich in der sexuellen Begegnung zweier lebendiger Wesen manifestiert und die sich letztlich von lebenden Zellen herleitet und nicht von toter Materie. (Statt der teils physikalischen, teils mystisch-spirituellen Energiemetapher spricht man umgangssprachlich ja auch von der „Chemie" zwischen zwei Menschen.)Letztlich erscheint ein Sexroboter eben doch nur als ein hochkomplexes und elaboriertes Hilfsmittel für die Masturbation und in dieser Hinsicht mag er eines fernen Tages einmal breite Anwendung oder sogar einen tieferen Sinn finden. Echter Sex zwischen zwei (oder mehr) Menschen ist aber etwas grundlegend und wesensmäßig anderes, da er in einem psychosozialen Beziehungsgeschehen angesiedelt ist und weil der je andere Mensch, das je andere Gegenüber, etwas perfekt-unperfektes an sich hat, etwas menschlich-eigensinniges, autonomes, offenes, unberechen- und unverfügbares und prinzipiell subjektives! Ein anderer Mensch wird immer ein lebendiges Subjekt statt nur ein totes Objekt bleiben, der sich aus - hoffentlich - freiem Entschluß so leidenschaftlich wie liebend hingibt, mag die künstlich-technische Simulation auch noch so perfekt alle Zeichen der Lebendigkeit, der leidenschaftlichen Ekstase oder der liebenden Hingabe vorgaukeln...
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